Als italienischer Militärinternierter in Deutschland 

Michele Montagano im Innenhof des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit. | Foto: Ralf Drescher
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Über fast alle Opfergruppen des Nationalsozialismus ist in den letzten Jahrzehnten geforscht und berichtet worden. Die italienischen Militärinternierten standen dabei oft im Schatten.

Denn sie hatten ein besonders schweres Schicksal. Erst hatte Italien gemeinsam mit Deutschland im Zweiten Weltkrieg gekämpft. Dann schloss das Land am 8. September 1943 Waffenstillstand mit den Alliierten. Rund 650 000 italienische Soldaten wurden von der Wehrmacht gefangengenommen. Der Alternative, in der Waffen-SS oder der faschistischen italienischen Armee weiterzukämpfen, verweigerten sich viele. Einer davon ist Michele Montagano. Der 96-Jährige kam jetzt zum Zeitzeugengespräch im Dokumentationszentrum Zwangsarbeit.

„Ich habe gelernt, das deutsche Wort Nein zu sagen“, erzählt er dort. Der Oberleutnant hatte 1943 einen Stützpunkt an der Grenze zu Slowenien geleitet. „Wir haben dort die Zivilisten der neuen Provinz Ljubljana vor Titos Partisanen beschützt“, berichtet er. Nach dem 8. September 1943 wird er mit seinen Kameraden von deutschem Militär verhaftet. Während sich sein Vater, ein Hauptmann, für den Kampf an der Seite der Faschisten entscheidet, sagt Montagano das trotzige Wort Nein.

Als Militärinternierter, dem der Kriegsgefangenenstatus verwehrt wird, ist er fortan fast ohne Rechte. Die nächsten anderthalb Jahre verbringt er in verschiedenen Internierungslagern, unter anderem in Thorn und Sandbostel. „Dort wurden wir zu schweren Arbeiten gezwungen. Kälte, Misshandlungen und Hunger waren unser Begleiter“, erinnert sich der Zeitzeuge. Erst im April 1945 ist der Leidensweg beendet. Die Deutschen entlassen die Italiener in den Zivilstatus, wenige Tage später werden sie von den Engländern befreit. Montagano kehrt zurück in seine Heimat, studiert Jura und arbeitet bis zur Pensionierung 1973 bei einer Bank. „Über unser Schicksal im Zweiten Weltkrieg haben wir damals nicht gesprochen. Bei den Deutschen galten wir als Verräter, und was konnten wir unseren Landsleuten schon erzählen? Wir saßen hinter Stacheldraht, während Partisanen mit der Waffe in der Hand gegen den Faschismus gekämpft haben“, sagt Michele Montagano. Bis heute haben die italienischen Militärinternierten keine Entschädigung enthalten.

Seit Mitte der 90er-Jahre hilft der Senior nun, die Geschichte der Militärinternierten zu erzählen und aufzuarbeiten. Neben dem Zeitzeugengespräch im Dokumentationszentrum stand Michele Montagano auch Schülern des Archenhold-Gymnasiums Rede und Antwort.

Die Geschichte der italienischen Militärinternierten ist im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Britzer Straße 5, in der Dauerausstellung „Zwischen allen Stühlen“ aufgezeichnet. Geöffnet ist bei freiem Eintritt Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr.
Michele Montagano im Innenhof des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit. | Foto: Ralf Drescher
Michele Montagano (rechts) mit seinem Kameraden Gino di Domenica im Dezember 1941 auf Korfu. | Foto: privat
Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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