Geschichte des Waisenhauses wird weiter erforscht

Carmen Urrutia, Geschäftsführerin der Pankower Früchtchen, ist eine Zeitzeugin. Sie arbeitete 1979/1980 als Dolmetscherin in der kubanischen Botschaft. | Foto: BW
  • Carmen Urrutia, Geschäftsführerin der Pankower Früchtchen, ist eine Zeitzeugin. Sie arbeitete 1979/1980 als Dolmetscherin in der kubanischen Botschaft.
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Pankow. Es ist eines der markantesten Gebäude im Pankower Zentrum: das ehemalige Jüdische Waisenhaus in der Berliner Straße 120/121. Im September vor 100 Jahren wurde es eingeweiht.

In Vorbereitung auf das Jubiläum suchen die Förderer und Freunde des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses in Pankow und die Schule Eins Zeitzeugen. Vor allem Menschen, die nach 1945 im Haus arbeiteten oder es besuchten. "Die Geschichte bis 1945 ist uns inzwischen weitestgehend bekannt", sagt Karin Manns, stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins. Entworfen wurde das Gebäude vom damaligen Baumeister der Jüdischen Gemeinde, Alexander Beer. Das 1913 eröffnete Haus gehört heute zu den bedeutendsten erhaltenen jüdischen Sakral- und Sozialbauten Berlins. Im Haus lebten viele Jahre jüdische Kinder, die ihre Eltern verloren hatten. 1938 drangen Nazihorden in die Räume im ersten Obergeschoss ein und verwüsteten sie. Dem beherzten und mutigen Auftreten des Lehrers Heinz Nadel ist es zu verdanken, dass den Kindern aber nichts angetan wurde.

Trotzdem gelang es in der Folgezeit, nur wenige Kinder durch Kindertransporte oder Auswanderung nach Palästina zu retten. Zöglinge und Mitarbeiter des Waisenhauses und der Volksschule siedelten vorerst in das jüdische Waisenhaus in der Schönhauser Allee 162 um. Von dort wurden viele Kinder, Jugendliche und Mitarbeiter in Vernichtungslager deportiert. Im Dezember 1942 wurde das Jüdische Waisenhaus Pankow vom Reichssicherheitshauptamt beschlagnahmt.

Ab Ende 1943 nutzte dessen Abteilung "Zentrale Sichtvermerkstelle" die Räume. "Schon aus dieser Zeit ist nur wenig von dem, was sich im Gebäude abspielte, überliefert", so Karin Manns. Deshalb sind Zeitzeugen willkommen, die in dieser Zeit im Gebäude etwas zu erledigen hatten. Nach dem Krieg war das Haus kurzeitig Arbeitsstätte des Pankower Bezirksamtes. Später nutzte der Deutsche Sportausschuss das Haus. 1952 zog dann zunächst die polnische Mission, ab 1964 die polnische Botschaft in das Gebäude. Von 1971 bis 1991 war es Sitz der kubanischen Botschaft.

Vor allem über die Geschichte des Hauses in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gibt es wenige Informationen. Deshalb hoffen der Förderverein und die Schule Eins auf viele Zeitzeugen, die etwas über diese Periode erzählen können. Nach langem Leerstand und Verfall erwarb die gemeinnützige Dr. Walter und Margarete Cajewitz-Stiftung 1999 das Gebäude. Sie sanierte es. 2000 gründete sich dann der Förderverein. Dieser widmet sich unter anderem der Erforschung der Geschichte des Hauses. 48 ehemalige Waisenhausbewohner konnte er inzwischen ermitteln und einen großen Teil der Geschichte bis zum Ende des Zeiten Weltkrieges recherchieren.

Im Jubiläumsjahr soll nun die weitere Geschichte intensiver erforscht werden. Dazu wurde unter anderem auch ein Geschichtsprojekt in der Schule Eins initiiert. Diese nutzt seit einigen Jahren nicht nur die oberen Geschosse des Waisenhauses, sondern auch den benachbarten Tabakspeicher der Zigarettenfabrik Garbáty. Die Garbátys waren die Hauptfinanzierer des Waisenhauses.

Wer sich als Zeitzeuge zur Verfügung stellen kann, meldet sich per E-Mail an vorstand@juedisches-waisenhaus-pankow.de oder über die Kontakte auf www.juedisches-waisenhaus-pankow.de.
Bernd Wähner / BW
Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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