Bergmann war eine Frau: Wie eine der bekanntesten Straßen zu ihrem Namen kam

Nach wem die Bergmannstraße benannt ist, darüber gibt es nicht nur an diesem Straßenschild an der Ecke Zossener Straße keine Auskunft. | Foto: Thomas Frey
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Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat sich schon lange vorgenommen, mehr Frauen als Namensgeberin von Straßen und Plätze zu würdigen.

Trotz mancher Bemühungen fällt das Verhältnis, schon historisch bedingt, weiter krass zu Ungunsten des weiblichen Geschlechts aus. Sein Anteil im öffentlichen Raum beträgt wenig mehr als zehn Prozent. Daran ändert sich auch wenig, wenn eine weitere Straße zugefügt wird, die zwar nach einer Frau benannt, als solche aber nicht zu erkennen ist. Selbst wenn es sich dabei um eine der bekanntesten Kreuzberger Verbindungen handelt: wie zum Beispiel die Bergmannstraße.

Die heutige Geschäfts-, Ausgeh- und Spekulationsmagistrale heißt nach Marie Luise Bergmann. Dass das vor allem Insider wissen, hat mehrere Gründe. Zum einen lebte die Namenspatin bereits von 1774 bis 1854. Wobei ihr Geburtsjahr nicht hundertprozentig geklärt ist. Auch darüber hinaus ist relativ wenig über sie bekannt. Ein Foto der Frau scheint ebenfalls nicht zu existieren. Was eine Internetplattform dazu brachte, das Bild einer zeitgenössischen weiblichen Person auf ihre Website zu stellen. Verbunden mit der Frage, ob Marie Luise Bergmann vielleicht so ausgesehen hat. Was allerdings aus ihrem Dasein gesichert ist, macht sie, zumindest in Friedrichshain-Kreuzberg, ebenfalls nicht unbedingt zu einer Repräsentantin ihres Geschlechts. Denn bei Marie Luise Bergmann handelte es sich um die Vertreterin einer Großgrundbesitzerdynastie, der seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein Großteil der Flächen südlich der heutigen Bergmannstraße gehörte. Ihr Besitz zog sich in etwa von der Friesenstraße bis zum Gelände der ehemaligen Bockbrauerei an der Fidicinstraße. Frau Bergmann hat anscheinend in diese Sippe eingeheiratet, die teilweise auch als Bergemann oder Bergtmann bezeichnet wird. Ihr Mädchenname hieß Neumann.

Die Bergmannstraße hieß ursprünglich Weinbergsweg. Das erinnerte an den einstigen Rebenanbau in dieser Gegend. Bis heute und nach längeren Pausen hat sich ein Rest davon im Viktoriapark erhalten. Die Bergmanns sollen den Weinbergsweg ausgebaut haben. Den neuen Namen erhielt er am 20. April 1837, also noch zu Lebzeiten von Marie Luise. Ihr galt die Umbenennung, sie sollte aber auch die die ganze Familie einschließen.

Das war schon deshalb leicht zu bewerkstelligen, weil die Straße damals noch keine öffentliche Verbindung war. Das wurde sie erst 1861. Das Einfügen in den Berliner Straßenatlas hing wahrscheinlich auch damit zusammen, dass dieses Gebiet, bis dahin Teil des Dorfes Tempelhof, ebenfalls 1861 zur Gemarkung der preußischen Hauptstadt gekommen war.

In den folgenden Jahrzehnten kam es zur bis heute typischen Gründerzeitbebauung der Gegend. Teile davon, vor allem um den Chamissoplatz, wurden sogar von den Bomben im Zweiten Weltkrieg verschont. Sie sollten dann in den 1970er-Jahren Neubauten à la Kottbusser Tor weichen. Was die Hausbesetzer verhinderten.

Anders als die Bergmannstraße und der Bergmannkiez gerieten Marie Luise Bergmann und ihre Familie in Vergessenheit. Von einer Ausnahme abgesehen, die aber wahrscheinlich ebenfalls nur Hobbyhistorikern bekannt ist. Nämlich Johann Caspar Bergemann. Er eröffnete um das Jahr 1810 "in der Schlucht am Tempelhofer Berg" eine Gastwirtschaft. Die Örtlichkeit bezeichnet ungefähr die heutige Ecke Nostitz- und Arndtstraße. Das Lokal nannte sich "Dusterer Keller" und war in seinen Anfangsjahren ein Treffpunkt von Literaten und Intellektuellen. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Willibald Alexis und Adalbert von Chamisso. Beide sind ebenso Namensgeber von Straßen im Kiez, genauso wie Karl Friedrich Friesen. Der war wiederum Mitglied im "Deutschen Bund", der im "Dusteren Keller" gedankliche und konkrete Widerstandsaktivitäten gegen die damalige französische Besatzung Preußens ausheckte. Mit dabei in diesem Kreis war auch "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn.

Auch Caspar Bergemann verschwand irgendwann in der Vergangenheit. Der "Dustere Keller" blieb bis 1875 an seiner ursprünglichen Stelle. Später eröffnete ein Wirtshaus „Düsterer Keller“ an der heutigen Bergmannstraße 107. Er spielte eine Rolle in den Anfangsjahren des Berliner und deutschen Fußballs. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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