Als der Apotheker zum Dichter wurde
Theodor Fontane und seine Zeit im Bethanien

Blick in das Apothekenmuseum im Bethanien. Links ein Bild des jungen Theodor Fontane. | Foto: Thomas Frey
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Der nicht mehr ganz junge Mann war von seinen Arbeitsbedingungen sehr angetan. Nur zwei Mittagsstunden am Tag habe er zu arbeiten. Die übrige Zeit "ist mein. Du kannst dir denken, wie viele Pläne und Hoffnungen ich an diese Muße knüpfe".

So formuliert von Theodor Fontane in einem Brief vom September 1848 an seinen Freund Bernhard von Lepel. Wenige Tage zuvor hatte er die Leitung der Apotheke im Krankenhaus Bethanien übernommen. Dotiert mit 20 Taler monatlich sowie freier Kost und Wohnung. Die Ausbildung von zwei Diakonissinnen gehörte ebenfalls zu seinem Aufgabenbereich.

Am 30. Dezember jährt sich Fontanes Geburtstag zum 200. Mal. Das ganze Jahr über wird dem märkischen Dichter gebührend gedacht. Fast überall, wo er irgendwann einmal war oder lebte. Fontanes Beziehung zum heutigen Kreuzberg beschränke sich nicht nur auf seine Zeit im Bethanien. Vielmehr war hier lange Zeit in verschiedenen Wohnungen sein Zuhause. Diese Gebäude gibt es nicht mehr. Anders als das Bethanien, das die Erinnerung hochhält. Vor allem im Museum Fontane-Apotheke. Am Haus Mariannenplatz 3, wo er damals lebte, gibt es eine Gedenktafel.

Das Bethanien wurde 1847 als Diakonissenkrankenhaus eingeweiht. Das passierte unter tätiger Ägide des damaligen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. Hospital war es bis 1970. Das Ende kam wegen Nachwuchsmangel. Gegen den Abriss zumindest großer Teile regte sich Widerstand. Im Dezember 1971 kam es zur Besetzung des ehemaligen Schwesternwohnheims. Die daran anschließenden Auseinandersetzungen sind nicht zuletzt durch den "Rauch-Haus-Song" der Band Ton Steine Scherben bekannt geworden. Eine Besetzung des Hauptgebäuds, wie der Song in einer Textzeile suggeriert, hat es aber nicht gegeben.

Aus der Schusslinie genommen

Das Bethanien wurde zu einem kulturellen und sozialen Zentrum. Was es seither, auch nach manchen weiteren Turbulenzen, geblieben ist. Heute befinden sich dort unter anderem der Kunstraum Kreuzberg, die Musikschule und Ateliers. Im einst frommen und königstreuen Krankenhaus entstand ein Kreativ- und Alternativbiotop. Fontanes Weg verlief quasi umgekehrt. Er landete dort nicht zuletzt, weil er im wahrsten Sinne des Wortes aus der Schusslinie genommen werden sollte.

Wir sind im Revolutionsjahr 1848. Der junge Apotheker-Dichter begeistert sich für die Erhebung, auch wenn er das später etwas relativiert hat. Bei den Barrikadenkämpfen am 18. und 19. März ist er anscheinend in der Stadt unterwegs. Möglicherweise hat er auch am Trauerzug für die Toten dieser Nacht zum Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark Friedrichshain teilgenommen. Sein politisches Agieren erfüllt die Familie mit einiger Sorge. Dazu kommt der nicht klar zu erkennende Weg, den er einschlagen will. Wahrscheinlich hat sich seine Mutter in dieser Situation an den ihr persönlich bekannten Pastor Ferdinand Schultz gewandt, dem Krankenhausgeistlichen in Bethanien. Der verschaffte Fontane den Job in der Apotheke. Allerdings musste die Anstellung gegen einige Widerstände durchgekämpft werden. So nachzulesen in dem vor kurzem erschienenen Buch "Ein Sonnenstrahl des Glücks. Theodor Fontane in Bethanien" von Roland Lampe. Theodor Fontane hat sich vor allem mangels größerer Alternativen darauf eingelassen. Auch um sich klar zu werden, wie es mit ihm weitergehen soll. Und in der Hoffnung, Muße zum Schreiben zu finden. Das Bethanien lag damals abseits vom Berliner Stadtzentrum auf dem Köpenicker Feld. Noch keine Spur von der Bebauung, die heute seine Umgebung prägt.

Die Konzentration auf literarische Arbeiten glückte ihm nur teilweise. Denn auch in dieser Enklave bekam Fontane mit, dass sich die Revolution auf dem Rückzug befand, Restauration und Reaktion wieder die Oberhand bekamen. Auch privat musste er sich über seine weitere Zukunft klar werden. Er war bereits seit mehr als drei Jahren mit Emilie Rouanet-Kummer verlobt. Eine Heirat wurde vor allem wegen seiner materiellen Situation, immer wieder verschoben. Sie fand dann Ende 1850 statt. Und nicht zuletzt gab es die bisher ungelöste Frage, was er eigentlich sein wollte: Apotheker oder Schriftsteller. Oder beides? Es gab Gedankenspiele, irgendwo eine Pharmazie zu erwerben. Das scheiterte nicht zuletzt am finanziellen Hintergrund.

Vom Pressebeobachter zum Romancier

Also sich ganz dem Verfassen von Gedichten, Balladen, Texten, Dramen, Romanen widmen? Trotz eher überschaubarer Ausbeute nahm dieser Berufsweg in der Idylle des Köpenicker Feldes Gestalt an. Wenn auch nicht so geradlinig, wie es der alte Fontane in seinen Erinnerungen beschreibt. Erleichtert wurde der Entschluss auch dadurch, dass sein Vertrag nach einem Jahr nicht verlängert wurde.

Trotz mancher "Irrungen, Wirrungen" ist das besondere "Sabbatical" in Bethanien eine entscheidende Phase zum Durchbruch des Dichters Theodor Fontane. Bis dahin war es noch ein weiter Weg. Fontane wurde als Pressebeobachter zunächst Mitglied des preußischen Staatsapparats. Er lebte zeitweise in London als halboffizieller Berichterstatter, war Mitglied in der Redaktion der erzkonservativen "Kreuz-Zeitung", veröffentlichte Kriegsbücher, Gedichte, Jubelreime, Feuilletons, Theaterkritiken, Reiseberichte, am bekanntesten die "Wanderungen durch die Mark Brandenburg". Erst mit knapp 60 Jahren wurde er zum Novellisten und Romanicer. Dann aber mit großer Ausbeute in den kommenden 20 Jahren bis zu seinem Tod 1898.

Mit Bethanien kam er auch später noch einmal in Berührung. Im Juni 1853 war er dort Patient wegen trockenem Husten und Herzstichen. Danach scheint er sich aber mit diesem Ort nicht mehr beschäftigt zu haben. In seinen Romanen kommt er, im Gegensatz zu anderen Plätzen im heutigen Kreuzberg, nicht vor. Erst in den Erinnerungen "Von Zwanzig bis Dreißig", erschienen wenige Monate vor seinem Ableben, spielte diese Lebensepisode eine nicht unwesentliche Rolle. Manches aus der zeitlichen Distanz dargestellt und für die Nachwelt geglättet. Aber mit Empathie und, trotz einiger Spitzen, großer Sympathie beschrieben.

"Ein Sonnenstrahl des Glücks" hat der Dichter in dem oben beschriebenen Brief seine Aufnahme in das Hospital bezeichnet. Das hat sich für ihn, wenn auch auf etwas andere Weise, bewahrheitet. Fortsetzung folgt.

Literatur von und zu Fontane

Wie erwähnt, nimmt der Text unter anderem Bezug auf das Buch „Ein Sonnenstrahl des Glücks“ von Roland Lampe; Theodor Fontane und das Bethanien auf 80 Seiten erzählt. Erschienen im Verlag für Berlin-Brandenburg, Preis: zwölf Euro.

Es gibt darüber hinaus zum Fontane-Jubiläum eine Menge Neuerscheinungen. Etwa die Biografie von Regina Dieterle aus dem Hanser-Verlag (34 Euro). Auch daraus stammen einige Hinweise. Ebenso wie aus Fontanes Erinnerungen. „Von Zwanzig bis Dreißig“. Das Buch ist in unterschiedlicher Aufmachung und Preis erhältlich. Verschiedene Kapitel sind auch online abrufbar.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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