Bärbel Herrmann und ihr Mann sind vor 25 Jahren in die Pfalzburger Straße gekommen

Bärbel Herrmann mit ihrem Mann Bernd Adamski vor ihrer geliebten Kneipe. | Foto: Schilp
2Bilder
  • Bärbel Herrmann mit ihrem Mann Bernd Adamski vor ihrer geliebten Kneipe.
  • Foto: Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Wilmersdorf. Maximal sechs Monate hatten ihr die Nachbarn gegeben, als Bärbel Herrmann und ihr Mann die Kneipe an der Pfalzburger Straße 24 übernahmen. Ein Irrtum: Vor wenigen Tagen feierten sie das 25. Jubiläum.

„Die gute Stube“ hält, was der Name verspricht. Es ist gemütlich, durch das prächtige Buntglasfenster fällt gedämpftes Licht, das Großstadtleben bleibt draußen, kaum dass sich die Tür geschlossen hat. Auf den Tisch kommt frisch gezapftes Bier und echte Hausmannskost – Schnitzel, Rouladen, Spargelsuppe.

Es ist eine Ost-West-Geschichte, die Bärbel Herrmann zu erzählen hat. Die gebürtige Karlshorsterin ist ausgebildete Säuglingsschwester, doch bald wurde ihr der Schichtdienst zu viel, schließlich hatte sie selbst zwei Kinder zu versorgen. Sie sattelte um, übernahm im Sommer den Kiosk am Müggelsee, schenkte Bier und Brause aus und briet Currywurst. Im Winter arbeitete sie in einer Konsum-Gaststätte.

Eine glückliche Zeit

Bärbel Herrmann hatte ihren Traumjob gefunden: Gastronomin. Ihre Arbeitsfreude blieb auch den Vorgesetzten nicht verborgen. Sie konnte Anfang der 60er-Jahre eine Qualifizierung zum „Gaststättenleiter“ machen, die sie mit Bravour absolvierte („nur Marxismus-Leninismus hat mir nicht so gelegen“).

Es folgte eine glückliche Zeit. Bärbel Herrmann schwärmt noch heute vom Potsdamer Herbstmarkt, wo sie fünf Jahre lang mit Gulaschkanone vor Ort war, von ihren polnischen Köchen, die den berühmten Krauteintopf Bigos, Lammgulasch und andere Köstlichkeiten zauberten. „Es war herrlich. Aber auch echte Knochenarbeit. Jeden September habe ich 14 Tage im Wohnwagen übernachtet.“

Zuvor hatte sie mit ihrem Mann im brandenburgischen Dallgow Dorf, westlich von Staaken, eine Clubgaststätte übernommen. Von dort aus versorgte sie die Arbeiter der angrenzenden LPG mit Mittagessen, täglich 155 Portionen. Unter den Gästen waren auch russische Offiziere aus der nahegelegenen Kaserne. „Wir haben viele Freundschaften geschlossen“, sagt Bärbel Herrmann. Allerdings nicht mit den normalen Soldaten, die durften sich nicht einfach in ein Lokal setzen, bekamen nicht einmal genug zu essen. „Ein einziges Mal wurde bei uns eingebrochen, durchs Toilettenfenster. Halbe, tiefgefrorene Broiler und altes Brot haben sie mitgenommen, keinen Tropfen Schnaps.“

Als die Wende kam, wollte Bärbel Herrmann das Haus von der Gemeinde kaufen. Doch dazu kam es wegen der verworrenen Eigentumsverhältnisse nicht. Doch sie hatte Glück im Unglück: Bis 1990 durfte sie in Dallgow bleiben. „Und es kamen Wessis vorbei, die Lage war ja auch wunderbar, im Ortskern mit seiner Kirche und den alten Linden.“ Unter den Gästen war eine Dame von der Gaststätteninnung. Die fand Gefallen an den Wirtsleuten und versprach Unterstützung.

„Ihr Ostler lernt erst mal arbeiten“

Sie hielt ihr Versprechen und stellte dem Ehepaar ihre heutige Vermieterin vor. Alles lief wie am Schnürchen. „Neue Waren, keine Kommission, schöne Einrichtung, keine Spur von Stapelstühlen und Neonlicht wie im Osten, wir konnten gleich anfangen“, erinnert sich Bärbel Herrmann. Die Eigentümerin stellte nur eine Bedingung: Der alte Kneipenname sollte wieder her. Also wurde das eingelagerte Schild mit der Aufschrift „Die gute Stube“ wieder aufgehängt.

Etliche Wirte hatten zuvor schon nach kurzer Zeit aufgegeben – die Konkurrenz rund um die Pfalzburger Straße ist groß –, und auch dem Ehepaar wurde von vielen nur ein halbes Jahr gegeben. „Ihr Ostler lernt erst mal arbeiten“, kommentierten einige Gäste. Das hat Bärbel Herrmann, die sonst kaum zu erschüttern ist, tief getroffen.

Tatsächlich seien die ersten anderthalb Jahre hart gewesen: „Ich habe oft im Hinterzimmer auf der Campingliege übernachtet.“ Inzwischen gibt es längst einen festen Kundenstamm, aber auch Berlin-Touristen, die die Kneipe per Zufall entdeckt haben, kommen immer wieder. Am allerschönsten sei die Martinszeit, sagt Bärbel Herrmann. Denn wenn bis zu 17 Gänsekeulen nebeneinander in der Backröhre schmurgeln, ist sie in ihrem Element: „Viel Soße, Rot- und Grünkohl, den Leuten schmeckt’s so gut, dass sie gleich fürs nächste Jahr bestellen.“

Sie liebt ihre Arbeit, kennt ihre Gäste und deren kleine und großen Geschichten. Die haben es ihr zum Jubiläum, das gebührend gefeiert wurde, mit vielen Blumen und guten Wünschen gedankt. Und wenn Bärbel Herrmann ihre überstandene Krebserkrankung erwähnt, dann nur, um zu erzählen, dass sie eine Reha entschieden abgelehnt habe: „Um Himmelwillen, die Kneipe, das ist meine Kur.“ sus

Bärbel Herrmann mit ihrem Mann Bernd Adamski vor ihrer geliebten Kneipe. | Foto: Schilp
Bärbel Herrmann mit ihrem Mann Bernd Adamski und dem brendneuen Jubiläumsbierkrug. | Foto: Schilp
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

25 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 99× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 219× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 207× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 63× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 270× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 624× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.