Karlowka oder die verbotene Stadt

Mai 1994:ein Offizier vor dem Wohnhaus für russische Familien neben der Kaserne in der Treskowallee, das gerade abgerissen wird. | Foto: Archiv Toepfer
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Karlshorst. Am 25. Mai feiert Karlshorst seinen 120. Geburtstag. Deshalb will die Berliner Woche einige Kapitel aus der Geschichte des heutigen Berliner Ortsteils erzählen. Heute geht es um das sowjetische Sperrgebiet, die verbotene Stadt.

Am 23. April 1945 gegen 14 Uhr ist der Krieg in Karlshorst beendet: Von Norden her rückt die Rote Armee ein. Und sie bleibt. Das Militär unter Befehlshaber Nikolaj Bersarin nimmt die Festungspionierschule an der Zwieseler Straße in Besitz und errichtet im Offzierscasino ihr Hauptquartier. Einen Tag später wird Bersarin zum ersten Berliner Stadtkommandanten ernannt.

Schnell kursieren Gerüchte, und sie werden zur bitteren Wahrheit: Am 5. Mai erfahren rund 26.000 Karlshorster - das sind über zwei Drittel der Einwohner -, dass sie ihre Häuser binnen 24 Stunden räumen müssen. Etliche Menschen verkraften das nicht: Die Selbstmordrate an diesem Tag ist hoch.

In die Wohnungen ziehen Angehörige der russischen Armee ein. Der überwiegende Teil Karlhorsts, der nördlich der S-Bahn-Trasse liegt, wird zum größten innerstädtischen Sperrgebiet im Osten Deutschlands. Die Russen nennen es Karlowka, für die Deutschen ist es die verbotene Stadt.

Karlshorster dürfen das Areal in den ersten Jahren nur mit einem "Propusk", einem Passierschein, betreten. Durch die Treskowallee fährt ab Juni 1945 zwar wieder die Straßenbahnlinie 69, aber zwischen zwei hohen Zäunen, die links und rechts der Straße stehen, und ohne Halt. Das ändert sich im Jahr 1949, als die Sowjets das Gebiet westlich der Treskowallee wieder freigeben. Die Wohnungsknappheit in Berlin veranlasst sie dazu.

Bis 1963 verkleinert sich das Sperrgebiet nach und nach bis auf seinen Kern rund um die ehemalige Festungspionierschule, wo die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet worden war und wo heute das deutsch-russische Museum untergebracht ist. Dieser "innere Kreis" bleibt bis zum Abzug 1994 in russischer Hand. Seit 1963 hat hier auch der Geheimdienst seinen Sitz - die zweitgrößte KGB-Zentrale nach Moskau.

Trotz der Freigabe des größten Teils ziehen nicht überall die alten Bewohner wieder ein. Ganze Straßenzüge werden weiter vom Militär oder von Einrichtungen der UdSSR und der DDR genutzt.

Persönlich haben die meisten Karlshorster nicht viel mit den Sowjets zu tun. Die Offiziere und ihre Familien dürfen sich zwar frei bewegen, doch die normalen Soldaten sieht man nur in Gruppen und in Begleitung eines Vorgesetzten auf dem Weg von der oder zur Kaserne.

Als die Russen abziehen, lassen sie aber nicht nur Militärisches zurück, sondern auch einen heute denkmalgeschützten Bau an der Treskowallee 111. Einst stand hier das "Deutsche Haus", berühmt für seine großen Bälle. Im Jahr 1947 musste es weichen. Innerhalb von zwei Jahren wurde um den erhaltenen Ballsaal herum das "Haus der Offiziere" errichtet, der erste Theaterneubau nach dem Krieg. Erst 1963 wurde auch Deutschen der Zutritt erlaubt. Die nannten das Gebäude aber weiter wie gewohnt, nämlich Russenoper.

(Quelle: Jörg H. Ahlfänger, in: Günter Toepfer "Verliebt in Karlshorst")

Alle Artikel unserer kleinen Serie "120 Jahre Karlshorst" finden Sie hier.

Susanne Schilp / susch
Mai 1994:ein Offizier vor dem Wohnhaus für russische Familien neben der Kaserne in der Treskowallee, das gerade abgerissen wird. | Foto: Archiv Toepfer
23. April 1945: Sowjetsoldaten rücken über die Treskowallee in Karlshorst ein. Das Gebäude im Hintergrund stand bis zu seinem Abriss im Jahr 2001 zwischen S-Bahnhof und dem Eingang zur Rennbahn. Es beherbergte das Kino Capitol (später "Vorwärts"). | Foto: Archiv Toepfer
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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