Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung sind besorgniserregend

Den Gesundheits- und Entwicklungsstand der Erstklässler ermittelt der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst bei den vorgeschriebenen Einschulungsuntersuchungen. | Foto: Bezirksamt Lichtenberg
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Das Bezirksamt Lichtenberg hat jetzt die Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen (ESU) fürs Schuljahr 2015/16 veröffentlicht. Das Papier fasst Daten von 2521 Kindern zusammen, mit einem besorgniserregenden Resultat: die Zahl der Mädchen und Jungen mit negativen Testergebnissen hat massiv zugenommen, mehr als die Hälfte hat einen besonderen Förderbedarf.

Sprachentwicklung, motorische und kognitive Fähigkeiten, Gewicht, Zahngesundheit, Vorsorge- und Impfstatus, aber auch Einkommen, Medienkonsum und Rauchverhalten der Familien – um diese Kriterien geht es bei den gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen aller Schulanfänger. Die Auswertung der Ergebnisse ist Grundlage für Präventionsmaßnahmen im Bereich Kindergesundheit. Die umfangreichen Checks, die jeweils vorm Schulstart anstehen, nimmt der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) der bezirklichen Gesundheitsämter vor.

„Die Einschulungsuntersuchung ist in Deutschland bislang die einzige Pflichtuntersuchung im Leben eines Menschen“, sagt Jugend- und Gesundheitsstadträtin Katrin Framke (Die Linke). „Die gewonnenen Daten bieten einen einzigartigen Informationsschatz über einen gesamten Jahrgang. Die Untersuchung hat das Ziel, die Gesundheit und die altersgerechte Entwicklung aller Vorschüler aus kinderärztlicher Sicht einzuschätzen.“

Zu den Zahlen: Im Bezirk ist die Zahl der schulpflichtigen Kinder gegenüber dem Vorjahr um 9,6 Prozent gestiegen. Der Großteil der Kinder (58,1 Prozent) kam aus Familien mit mittlerem Sozialstatus. Ein knappes Viertel zählte zur oberen, 18,3 Prozent zählten zur unteren Statusgruppe. Ein Drittel der Mädchen und Jungen, die an der ESU teilnahmen, hatte einen Migrationshintergrund. Knapp ein Drittel aller Eltern, vorwiegend Mütter, gab an, alleinerziehend zu sein. Fast alle, nämlich 97,8 Prozent der Kinder besuchten eine Kita. An den Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U8 nahmen 87,4 Prozent der Mädchen und Jungen teil. Auch die Impfquote war hoch.

Als besorgniserregend wertet das Gesundheitsamt die Testergebnisse zum Entwicklungsstand, die eine steigende Tendenz an Defiziten zeigen und zwar in allen Bereichen. Insbesondere in Bezug auf die Visuomotorik, also die Koordination zwischen visueller Wahrnehmung und dem Bewegungsapparat, verzeichnet die ESU eine stetige Zunahme von Kindern mit nicht altersgemäßem Entwicklungsstand. 2015 stellten die Fachleute bei fast jeder vierten Untersuchung Auffälligkeiten fest. Defizite in der sprachlichen Entwicklung zeigten sich beim Nachsprechen von Sätzen, beim Ergänzen von Wörtern und dem Wiederholen von Pseudowörtern.

Mehr als die Hälfte braucht Förderung

Entsprechend gestiegen ist die Zahl der Kinder, die nach dem Check eine Förderempfehlung bekommen haben: Für mehr als die Hälfte – 50,7 Prozent – aller Lichtenberger Schulstarter wurde 2015 eine solche ausgesprochen. Sieben Prozent bescheinigten die Mediziner einen sonderpädagogischen Förderbedarf.

Aufschlussreich sind auch die Zahlen und Ergebnisse aus den Lichtenberger Stadtteilen: Von den 2521 Kindern, die 2015 erstmals schulärztlich untersucht wurden, lebten die meisten, nämlich 339 Mädchen und Jungen, in Neu-Hohenschönhausen Nord. Aus den ehemaligen Dörfern kamen 43 Schulstarter. Der größte Anteil an Kindern nicht deutscher Herkunft lebte in Friedrichsfelde Nord und Fennpfuhl. Dort hatten über die Hälfte - 53,4 Prozent beziehungsweise 51,6 Prozent - einen Migrationshintergrund.

Neu-Hohenschönhausen Nord war mit Abstand (48 Prozent) Spitzenreiter in Bezug auf Alleinerziehende. Neu-Hohenschönhausen Süd schnitt als einziger Stadtteil mit ausnahmslos unterdurchschnittlichen Testergebnissen ab. So lag die Förderquote dort bei circa 73 Prozent. Darüber hinaus spielte Übergewicht im Stadtteilvergleich mit 17,1 Prozent eine große Rolle. Ähnlich negativ war die Tendenz in Neu-Hohenschönhausen Nord. Friedrichsfelde Nord war das Viertel mit dem größten Anteil an Familien der niedrigen Sozialstatusgruppe - rund 43 Prozent.

In den „Dörfern“ wuchsen über 90 Prozent der Kinder mit beiden Eltern auf. In Karlshorst lebten drei von fünf Kindern in gut situierten Verhältnissen und nur drei Prozent in sozial schwächeren. Entsprechende Unterschiede weist der Bericht auch in Bezug auf den Entwicklungs- und Gesundheitszustand der Kinder auf. Beispielsweise hatten in Karlshorst neun von zehn untersuchten Kindern ein naturgesundes Gebiss, in Friedrichsfelde Nord war das nur bei sechs von zehn Kindern der Fall.

„Die Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung zeigen zum Teil erschreckend deutlich, dass auch in Lichtenberg relative Armut in Familien eng verknüpft ist mit einem schlechteren Gesundheitszustand des Kindes“, lautet das Fazit von Katrin Framke. „Auch das Ausmaß des festgestellten Förderbedarfs für die Mädchen und Jungen ist bedrückend. Umso wichtiger ist die Einschulungsuntersuchung, denn anhand dieser ermittelten Daten lassen sich Schlussfolgerungen ziehen. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Gesundheit unserer Kinder zu fördern.“

Um die negative Entwicklung zu stoppen, seien auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene gemeinsame Strategien notwendig. „Auch in Lichtenberg stehen wir dabei noch am Anfang“, so die Stadträtin. „Wir haben aber bereits einen bezirklichen Gesundheitsbeirat gegründet und veranstalten regelmäßig Konferenzen, um weiter daran zu arbeiten, die Gesundheitsvorsorge für kleine und große Lichtenberger zu verbessern.“

Den Gesundheits- und Entwicklungsstand der Erstklässler ermittelt der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst bei den vorgeschriebenen Einschulungsuntersuchungen. | Foto: Bezirksamt Lichtenberg
Größe, Gewicht, Zahngesundheit - aber auch die kognitiven Fähigkeiten untersuchen Mediziner bei den gesetzlich vorgeschriebenen Einschulungsuntersuchungen. Foto: Bezirksamt Lichtenberg | Foto: Bezirksamt Lichtenberg
Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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