Verhältnisse nicht hinnehmbar: Integrationsausschuss besuchte das LAGeSo

Vor dem Haus J wird ausgerufen, wer „bearbeitet“ wurde und eine Unterkunft, einen Hostelgutschein oder eine Bahnfahrkarte für die Fahrt in eine Flüchtlingsunterkunft in einem anderen Bundesland erhält. | Foto: KEN
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  • Vor dem Haus J wird ausgerufen, wer „bearbeitet“ wurde und eine Unterkunft, einen Hostelgutschein oder eine Bahnfahrkarte für die Fahrt in eine Flüchtlingsunterkunft in einem anderen Bundesland erhält.
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Moabit. „Jeden zweiten Tag ändert sich die Situation“, sagt Tilo Siewer (Grüne). Dennoch hatte der Vorsitzende des Integrationsausschusses dessen Mitglieder und weitere Bezirksparlamentarier zu einem Besuch beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und weiterer „relevanter Orte der Flüchtlingsunterbringung“ am 27. August eingeladen.

Im Mittelpunkt stand ein rund einstündiges Gespräch mit Franz Allert. Der LAGeSo-Chef erläuterte das Registrierungsverfahren, das „Platzmanagement“, die Unterbringung und Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge auf dem Gelände an der Turmstraße. Trotz einzelner, kleiner Verbesserungen seien die Verhältnisse weiterhin nicht hinnehmbar, so die teilnehmenden Ausschussmitglieder. Noch immer kommen jeden Tag bis zu 2500 Menschen zum Landesamt. Die einen sind schon im Asylverfahren, die anderen melden sich erstmals an. Alle brauchen eine Registrierungs- beziehungsweise Bearbeitungsnummer. Das lange Warten zwingt sie, im Freien zu lagern. Täglich bleiben Flüchtlinge obdachlos. Sie müssen in den benachbarten Parks und Grünanlagen übernachten.

Die schiere Menge sprengt alle Kapazitäten

Die schiere Menge der ankommenden Flüchtlinge sprengt die Kapazitäten des LAGeSo. „Meinen Mitarbeitern schwirrt der Kopf“, gesteht Allert ein. Viele seien wegen der starken Belastung krankgeschrieben. Durch die personelle Unterbesetzung gehören Zwölf-Stunden-Schichten zum Alltag, musste Ramona Pop am Tag zuvor erfahren. Die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus hatte sich mit dem LAGeSo-Personalrat zum Gespräch getroffen.

Abhilfe der unwürdigen Zustände ist vielleicht in Sicht, dauert aber viel zu lange. Etwa eine elektronische Anzeigentafel, auf die Allert seit vier Wochen wartet, oder weitere 138 „Beschäftigungspositionen“ für den Asylbereich. Ihre Zahl ist zu gering, die darauf basierende Erhebung vom Januar total überholt. Der alte Küchentrakt soll umgebaut werden, ist aber frühestens 2018 fertig. Allert fordert die Ausgliederung der Erstregistrierung von Flüchtlingen. Im Gespräch ist das Rathaus Wilmersdorf.

Krankheiten diagnostizieren

Immerhin koordiniert jetzt die Caritas Identifikation und Betreuung schutzbedürftiger Flüchtlinge sowie von Kindern. Ein Röntgenmobil für Tuberkulose-Verdachtsfälle steht auf dem Gelände. Am Wochenende nach dem Besuch des Integrationsausschusses sollte ein „Medi-Point“, ein Sanitätszelt für kleinere Behandlungen, aufgebaut werden. Die freiwillig tätigen Ärzte stelle die Berliner Ärztekammer, so Franz Allert, aber nur für zwei Wochen. Noch in diesem Monat oder im Oktober soll zudem eine zentrale Impfstelle installiert und gegebenenfalls zu einer Untersuchungs- und Impfstelle ausgebaut werden.

Das wird nach den Schilderungen einer ehrenamtlich tätigen Ärztin vor Ort dringend notwendig sein. „Wir haben keine Diagnosemöglichkeiten. Wir wissen nicht, ob Flüchtlinge vielleicht Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder Typhus in sich tragen“, so die Kinder- und Jugendärztin Renate Schüssler.

Auf ihrem Rundgang würdigten die Ausschussmitglieder die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer des Moscheevereins „Haus der Weisheit“ in der Rathenower Straße 16 und in der von der Stadtmission betriebenen Traglufthallen-Notunterkunft auf dem Gelände des Poststadions. Tilo Siewers: „Bei aller Wertschätzung des zivilgesellschaftlichen Engagements kann dies kein Ersatz für eine handlungsfähige Verwaltung sein. Die Verwaltung kann und muss den extrem gewachsenen Herausforderungen gerecht werden.“ KEN

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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