Theater ohne Allüren: Freie Volksbühne feiert 125. Geburtstag

Volles Haus: Zur Eröffnung der Schau im Wilmersdorfer Vereinshaus herrschte dichtes Gedränge bis in den späten Abend. | Foto: Schubert
2Bilder
  • Volles Haus: Zur Eröffnung der Schau im Wilmersdorfer Vereinshaus herrschte dichtes Gedränge bis in den späten Abend.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Wilmersdorf. Wenn sich der Vorhang hebt, muss dass nicht zwangsläufig einen elitärer Zeitvertreib bedeuten. Die Freie Volksbühne steht für das Theater des kleinen Mannes - und der bildungsbewussten Frau. Eine Jubiläumsausstellung erinnert nun an die goldenen Zeiten.

In Reihe eins zu sitzen, das war nicht immer ein Tribut ans dicke Portemonnaie. Es gab Jahre, da galten andere Prinzipien. Schwerhörige in Reihe eins - ein entsprechender Pass der Freien Volksbühne machte genau das möglich.

Kein Zweifel: In der Geburtstagsausstellung des gleichnamigen Vereins ist dieses Dokument einer Dame "mit Ohrenleiden" Frank-Rüdiger Bergers Lieblingsstück. Als Vorstandsmitglied und Kurator der Schau durchforstete Berger wochenlang Archive, sichtete eigene Bestände, sprach mit langjährigen Volksbühnenfreunden. Und heraus kam eine Präsentation, die in durchaus angenehmer Weise nostalgische Gefühle weckt. Die alten Flugblätter, Eintrittskarten, Fotografien vom Besuch des Bundespräsidenten Theodor Heuss. All das führt heran an die Blütezeit des Theaterlebens. Bildung ohne Elitedenken. Ausgehkultur frei von Allüren. Eine Philosophie, in Vitrinen verpackt.

"Einfache Leute konnten sich Theaterbesuche überhaupt nicht leisten", sagt Berger. "Und die Volksbühne machte das möglich, indem sie für ihre Mitglieder Bühnen mietete." Wer wo saß, entschied das Los. Selbst sozialkritische Stücke von Gerhart Hauptmann, die eigentlich der preußischen Zensur unterlegen hätten, brachte man dank einer Sonderregelung den Menschen nah.

Ausgangspunkt der Volksbühnenbewegung war ein Aufruf aus dem Munde des Denkers Bruno Wille, der am 23. März 1890 "die Kunst dem Volke" gewidmet sehen wollte. Es sollte aber von da an noch 25 Jahre dauern, bis das erste eigene Theater entstand: die Volksbühne am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz im Bezirk Mitte. Durch die Teilung Berlins war eine Spaltung der über 100 000 Mitglieder starken Bewegung aber nicht zu verhindern. Während die Volksbühne im Osten eigene Wege ging, erbauten die West-Berliner in der Schaperstraße das Theater "Freie Volksbühne Berlin", heute bekannt als "Festspielhaus", geführt vom Bund.

Im nahe gelegenen Siegfried-Nestriepke-Haus in der Ruhrstraße 6 verlegten sich die Theaterfreunde vornehmlich auf ideelle Aktivitäten. Und versorgen die 6000 Mitglieder bis heute mit bis zu 40 Prozent vergünstigten Karten für fast alle Berliner Bühnen. Allerdings ist dies laut Berger nur ein Teil des Barriereabbaus. "Es geht uns auch um das Vermitteln von Wissen, das Schaffen von Verständnis für diese Art von Kultur." Volkstümlicher Theatergenuss war und ist in erster Linie eine Frage der Einstellung - erst in zweiter Hinsicht Sache des Geldes.

Zur Ausstellung im Geschäftshaus in der Ruhrstraße 6 bietet die Freie Volksbühne kostenlose Führungen an. Die Termine: 20. April, 18 Uhr, 2. Juni, 16.30 Uhr und 22. Juni, 18 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die regulären Öffnungszeiten: Mo-Fr 10 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 14 Uhr.
Thomas Schubert / tsc

Volles Haus: Zur Eröffnung der Schau im Wilmersdorfer Vereinshaus herrschte dichtes Gedränge bis in den späten Abend. | Foto: Schubert
Verlorene Vielfalt: Kurator Frank-Rüdiger Berger (l.) und Volksbühnen-Vorstandsvorsitzender Professor Dietger Pforte entdecken auf einer alten Karte Theaterstandorte, die es nicht mehr gibt. | Foto: Schubert
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 192× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 168× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 231× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 605× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.