Am Anfang stand eine Idee: Die Firma Adrema hat die Bürowelt revolutioniert

Die Adrema-Fabrik in einer historischen Aufnahme. | Foto: Privatarchiv
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  • Die Adrema-Fabrik in einer historischen Aufnahme.
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Am Anfang stand eine Idee. Die Maschine, die der 1884 in Eldagsen bei Hannover geborene Julius Goldschmidt danach erfand, sollte die Bürowelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts revolutionieren.

Gebaut wurde die Maschine zunächst in Schöneberg, danach bis in die sechziger Jahre in Moabit. Heute trägt ein Hotel am ehemaligen Produktionsstandort den Namen des Herstellers: Adrema. Das steht für Adressiermaschine. In den Niederlanden hatte Goldschmidt das Metallpressverfahren kennengelernt. Darin prägte man Schrifttypen in eine Metallplatte. Der Text war auf der Vorderseite der Platte in Klarschrift zu lesen.

Goldschmidt mechanisierte den Druckvorgang mit den Platten. Die Büromaschine wurde elektrisch angetrieben. Nur die Metallplatte als Matrize und das zu bedruckende Papier, beispielsweise Briefumschläge, mussten von Hand eingelegt und entnommen werden. Alles andere lief automatisch ab – eine ungeheure Erleichterung in den Büros und Verwaltungsstuben. „Wo gestern noch fleißige Schreiber an hohen Pulten saßen, wo die Kopierpresse einsamer Gipfel der Mechanisierung war, da begannen zaghaft die ersten Schreibmaschinen zu klappern. Eine neue Ära der Büroarbeit“, sagt ein ehemaliger Adrema-Mitarbeiter.

Mit 50 000 Goldmark Kapital gründete Goldschmidt am 22. April 1913 in der Schöneberger Bülowstraße 56 die Adrema Maschinenbau GmbH. 1924 verlegte Goldschmidt seine Firma nach Moabit, in die Straße Alt-Moabit 62-63. Anfang der fünfziger Jahre erhielt Adrema einen Verwaltungstrakt in der Gotzkowsystraße 20, im gleichen Gebäude.

Adrema war bald die erste Adresse für Adressiermaschinen in Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg expandierte Goldschmidt ins Ausland. 1930 hatte Adrema über 1 000 Mitarbeiter. Als erste hätten Kommunalverwaltungen und die Post das Adrema-System verwendet, gefolgt von Banken, Sparkassen, Versicherungen, Speditionen und Großhändlern, schreibt Karl Lattmann in der Neuen Deutschen Biographie 1964.

Goldschmidt brachte seine Fabrik durch die schwere Wirtschaftskrise. Dann übernahmen die Nazis die Macht in Deutschland. Es begannen die Repressalien gegen jüdische Unternehmer wie Goldschmidt. „In einem feindlicher werdenden Umfeld entwickelten jüdische Unternehmen unterschiedliche Strategien, um sich und ihre Unternehmen über Wasser zu halten“, so der Historiker Christoph Kreutzmüller.

Goldschmidt gründete die Adrema Export GmbH, um in den Worten Kreutzmüllers „als Devisenbringer geschützt zu sein und um sich einen Rückzugsweg zu sichern“. Es half nichts. 1935 musste Goldschmidt die Firma an die „Mercedes Büromaschinen-Werke A.G.“ im thüringischen Zella-Mehlis verkaufen. Adrema wurde „arisiert“. Goldschmidt floh darauf nach Zürich ins Exil, wo er bereits 1936 starb.

Zur Entwicklung der Firma unter Thüringer Führung wäre noch zu forschen. 1961 jedenfalls übernahm der US-Konzern Pitney Bowes die Adressiermaschinenfabrik in Moabit, um sie bald an seinen deutschen Hauptsitz im hessischen Heppenheim zu verlagern. Damit endete die Berliner Zeit von Adrema. In das Fabrikgebäude an der Gotzkowskystraße zog 1976 „Möbel Adam“. Auch dieses Geschäft ist inzwischen Geschichte. Anfang der Nullerjahre war Schluss mit dem Möbelverkauf. 2003 wurde das Adrema-Gebäude durch einen Neubau erweitert. Das Ensemble wird seither als Hotel genutzt. An dessen Haupteingang weist eine historische Adressiermaschine auf die Vergangenheit.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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