Wenn die Legenden angreifen: In Kreuzberg hat sich ein Verein für eSport gegründet

Gruppenbild mit Dame: Die Aktiven des 1. Berliner eSport-Clubs. | Foto: Thomas Frey
4Bilder
  • Gruppenbild mit Dame: Die Aktiven des 1. Berliner eSport-Clubs.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. An den Computern herrscht volle Konzentration. Fast reflexartig werden die Klicks gesetzt. Motivations- oder Frustvokabeln begleiten die Aktionen.

Im Einsatz sind hier die Aktiven des 1. Berliner eSport-Clubs. Er wurde Ende 2016 in Kreuzberg gegründet – als wahrscheinlich erster Verein in der Stadt, der den Wettbewerb bei interaktiven Spielen als Mannschaftssportart anbietet. "Zumindest kenne ich bisher keinen anderen", sagt Vorstandsmitglied Hans Jagnow.

eSport selbst ist keine neue Erfindung, sondern wird von vielen, vor allem Jugendlichen, betrieben. Meist sind das aber Einzelkämpfer. Der neue Club will ihnen eine gemeinsame, auch analoge, Plattform bieten. Außerdem geht es darum, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Und es soll ein bundesweiter Spielbetrieb entstehen. Deshalb hat das Projekt für Hans Jagnow auch eine soziale und gesellschaftliche Bedeutung. Der 28-Jährige gehörte bereits als einstiger Mitarbeiter der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zu den Geburtshelfern einer organisierten eSport-Bewegung.

Pate hätten dabei natürlich auch manche Klischees gestanden. Etwa über Nerds, die neben Daddeln nur noch wenig anderes im Leben kennen. Das sei zwar manchmal zugespitzt, aber nicht völlig von der Hand zu weisen. Deshalb sorge das Clubleben auch für zwischenmenschliche Kontakte. Und selbst manche Spielleidenschaft könne so kanalisiert werden.

Training in Taktik und Angriffskunst

Jeden Sonntag gibt es ein vierstündiges Training, zu dem sich inzwischen bis zu 20 Teilnehmer einfinden. Etwa halb so viele sind es an diesem Nachmittag. Fünf von ihnen treten zum ersten "League of Legends"-Aufeinandertreffen mit Gegnern aus dem World Wide Web an. Bei diesem Spiel muss die eigene Truppe auf verschiedenen Wegen versuchen, in das Lager der Gegner zu kommen. Damit das gelingt sind Taktik und abgestimmtes Vorgehen wichtig. Jeder Spieler muss nicht nur seine Figur im Griff haben, sondern ebenso darauf achten, was andere Vertreter seiner Mannschaft gerade machen.

Damit das alle möglichst schnell verinnerlichen, sind beim eSport-Club auch zwei Trainer aktiv. An diesem Nachmittag coacht Max Brückmann. Der 21-jährige Student verfolgt das Geschehen zunächst über einen großen Monitor, wo er beobachtet, wie sein Team dieses Game verliert. Danach folgt die Manöverkritik. Einige Angriffe seien zu früh gestartet worden, bemängelt der Trainer. Gespickt werden seine Ausführungen mit Fachausdrücken, die anscheinend zur Legendenliga gehören. So ist zum Beispiel von "Level two" die Rede. Das steht für eine von insgesamt drei Ebenen, auf denen der Vormarsch stattfinden muss.

Betrachtet man die Aktiven, erfüllen sie meist das gängige Bild, das sich viele von Hardcore-Vertetern der Online-Gemeinde machen. Die meisten sind noch ziemlich jung, hier zwischen 18 und Mitte 20. Kapuzenpulli oder ähnliche Kleidungsstücke dominieren. Und unter ihnen ist nur eine Frau. Außer ihr gebe es aber noch zwei weitere Geschlechtsgenossinnen, die häufig zum Training kommen, sagt Caroline Tupikowski (21). Aber zugegeben, ihr Anteil könnte höher sein. Wahrscheinlich würden manche durch Erfahrungen abgeschreckt, die sie im Internet gemacht haben. Dort herrscht bisweilen ein rauer Ton und weibliche Spielerinnen werden nicht selten mit blöder Anmache konfrontiert.

Geistige statt körperliche Fitness

Für Hans Jagnow ist das ein weiteres Argument, durch den Verein möglichst viele Leute aus ihrer Daddelanonymität zu holen. Gerade um weitere Frauen wolle sich der eSport-Club besonders bemühen. Gleiches gelte für Zuwanderer, Menschen mit einem Handicap oder Jugendliche. Das Schöne bei Computergames sei ja, dass sie fast jeder spielen könne.

Den Verein bekannter machen, neue Mitglieder und auch Sponsoren werben, eigene Räume finden, weitere Schritte in Richtung einer Meisterschaft in die Wege leiten, der Vorstand und seine Kollegen haben sich einiges vorgenommen. Außerdem wollen sie ihre Disziplin in den organisierten Sport einreihen. Aber bisher zeigen ihnen sowohl der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), als auch der Landessportbund Berlin (LSB) die kalte Schulter. Begründet wird das damit, dass eine körperbetonten Leistung fehlt, die als Maßstab gilt.

Auf ewig gelte das sicher nicht, meint Hans Jagnow. Auch der Motorsport sei wegen dieser Definition lange ausgeschlossen gewesen, und das habe sich inzwischen geändert. Und mit den Rennfahrern lasse sich eSport ganz gut vergleichen, denn bei beiden gehe es um Reaktionsschnelligkeit und damit geistige Fitness.

Vor allem handle es sich um eine Generationenfrage. "Schon jüngere Vertreter im Landessportbund sehen das etwas anders". Denn sie hätten begriffen, welches Potential, gerade auch in Richtung Nachwuchs, in diesem Angebot stecke, so Jagow. tf

Weitere Informationen zum Verein gibt es auf der Website www.berlinesports.de. Das Training finden jeden Sonntag von 14 bis 18 Uhr im Meltdown Berlin, Urbanstraße 87, statt.
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 112× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 231× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 213× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 67× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 276× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 629× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.