Altes Haus mit Einzelhandelstradition

In diesem Haus an der  Berliner Allee 100 wurde 1956 der erste Selbstbedienungsladen Ost-Berlins eingerichtet. | Foto: Bernd Wähner
  • In diesem Haus an der Berliner Allee 100 wurde 1956 der erste Selbstbedienungsladen Ost-Berlins eingerichtet.
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Das Gebäude an der heutigen Berliner Allee 100 ist seit Ende der 1920er-Jahre ein Einzelhandelsstandort.

Besonders ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückte dieses Haus 1949. Dort eröffnete seinerzeit eine der ersten HO-Verkaufsstellen (Handelsorganisation; Einzelhandelskette der DDR) in der Stadt. Wegen ihrer Dimension bekam sie recht schnell den Beinamen „großes HO“.

Die Geschichte des Handels-standortes reicht aber viel weiter zurück. Bis 1929 hatte die Berliner Allee noch immer ein kleinstädtisches Flair, obwohl Weißensee bereits zu Berlin gehörte. Dann wurde sie aber der Großstadt angemessen modernisiert. Die Straßenbahn erhielt ein eigenes Gleisbett, jede Fahrbahn bekam zwei Fahrspuren, und die Beleuchtung wurde erneuert. Nur der Teil zwischen Pistoriusstraße und Lindenallee blieb schmal. Doch auch das sollte rasch anders werden. Die Baufluchtlinie war schon bald neu festgelegt. Ein Warenhauskonzern, die damalige Rudolph Karstadt AG, errichtete ein modernes Büro- und Handelshaus an der damaligen Berliner Allee 46 (heute Nummer 100) und baute es so zurückversetzt, dass es sich auch heute noch auffällig in den Straßenraum einordnet.

Damals kam mit diesem Handelshaus eine neue Geschäftsidee nach Weißensee: ein Einheitspreisgeschäft. Was man heute oft als Billigmarkt mit Ein-Euro-Produkten findet, hatte in dieser aus Amerika stammenden Geschäftsidee seinen Ursprung. Die Alltagsprodukte kosteten, gestaffelt nach 25 oder 50 Pfennig oder einer Reichsmark, alle den gleichen Betrag. Der Name des Ganzen: EPA Einheitspreis AG. Diese Idee fand schnell viele Freunde. Bis zu 52 Filialen hatte die EPA Anfang der 30er-Jahre.

Am 1. April 1933 gehörte das Geschäft zu denen, gegen die wegen der „jüdischen Geschäftsidee“ von der SS ein Boykott ausgerufen wurde. Einheitspreisgeschäfte wurden untersagt. Das Haus bekam ein „K“ vor den Namen gesetzt und war fortan ein ganz normales Kaufhaus.

Am 22. April 1945 befreite die Rote Armee Weißensee. Nur wenig später machten sich Handwerker am Kepa zu schaffen. Zerborstene Scheiben wurden erneuert, und an eine Wand kam eine gläserne Reklametafel mit kyrillischen Buchstaben, die das Haus als „Gastronom“ auswiesen.

Es gab in Weißensee helle Aufregung und eine Fülle von Gerüchten: Was geschieht hier? Wer wird dort einkaufen können? Die Fragen bewegten die Menschen, die gerade die ersten neuen Lebensmittelkarten erhalten hatten. Bald war klar, dass das Haus nur für sowjetische Militärangehörige bestimmt war und wie sich zeigte, auch nur für Offiziere.

Im September 1949 ging das Haus wieder in deutsche Hände zurück. Eine der ersten HO-Verkaufsstellen der Stadt eröffnete. Im Jahre 1956 wurde sie zur ersten „Kaufhalle“ der DDR umgebaut. Händler wie Kunden lernten die damals völlig neue Form der Selbstbedienung kennen.

Im Laufe der Jahre gab es unzählige Umbauten im Haus, das der volkseigenen HO gehörte. Im Juli 1990 machte das Unternehmen Hoka (HO-Kaiser‘s) Platz für neue Angebote. Es wurde wieder umgebaut: Es kam ein neuer Handelsriese. Der richtete das Haus neu ein. Später wurde der Laden zum Edeka-Markt. Etwa 90 Jahren nach Fertigstellung des Gebäudes wird an der Berliner Allee 100 also immer noch mit Waren gehandelt.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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