Nationalgalerie arbeitet mit einer Ausstellung die "schwarzen Jahre" auf

Mario Tozzis Gemälde "Die geschlossene Tür" (Ausschnitt) um 1932 gehört zu den 15 Bildern, die noch vor der NS-Machtübernahme nach Berlin kamen. | Foto: KEN
2Bilder
  • Mario Tozzis Gemälde "Die geschlossene Tür" (Ausschnitt) um 1932 gehört zu den 15 Bildern, die noch vor der NS-Machtübernahme nach Berlin kamen.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Moabit. Geschichte in Geschichten erzählen – so nähert sich die Nationalgalerie ihren „schwarzen Jahren“ während des Nationalsozialismus in einer äußerst erhellenden Ausstellung im Hamburger Bahnhof an.

Die Geschichte der Sammlung der Nationalgalerie zwischen 1933 und 1945 ist nicht etwa geprägt von Werken wie den übergroßen Muskelprotzen eines Arno Breker. Die Beziehung zwischen Künstlern, Werken, Gesellschaft und Museum war viel komplexer in den von Diktatur, Krieg und Holocaust bestimmten zwölf Jahren. Kurator Dieter Scholz legt ihre Vielschichtigkeit in sieben Themenbereichen dar – von „Streit um die Moderne“ über „Emigration“ und „Aktion Entartete Kunst“ bis zu „Verfolgung“.

„Sie zeigt, wie Zeitgeschichte sich aus einzelnen Geschichten zusammensetzt. In diesem Fall sind es die Geschichten einzelner Kunstwerke, ihrer Produzenten, Händler, Mäzene und Kritiker sowie der Museumsmitarbeiter und der mit Kunst befassten Politiker und Verwaltungsbeamten“, so Nationalgaleriedirektor Udo Kittelmann über die Ausstellung.

Eine Geschichte geht so: Im Dezember 1933 feierte die nationalsozialistische Presse den norwegischen Künstler Edvard Munch aus Anlass seines 70. Geburtstages als „nordisch-germanischen“ Künstler. Auch Propagandaminister Joseph Goebbels gratulierte. Das hinderte das Regime nicht, vier Jahre später Munchs „Melancholie“ aus dem Bestand der Nationalgalerie zu entfernen und 1939 in Oslo zu verkaufen. Munch galt mittlerweile als „pathologischer Problematiker“. Das Werk konnte 1997 ein zweites Mal für die Nationalgalerie erworben werden.

Der Verlust ist der rote Faden, der sich durch die Geschichten der 60 gezeigten Gemälde und Plastiken zieht und die Sammlungsgeschichte der Nationalgalerie im Wesentlichen prägt. Mehr als 500 Werke moderner Künstler wurden entfernt, als „entartet“ diffamiert, beschlagnahmt, anschließend, wenn „international verwertbar“, auf einer großen Auktion in Luzern gegen Devisen für die Kriegsvorbereitungen versteigert. Was „unverwertbar“ war, landete im März 1939 auf dem Hof der Berliner Hauptfeuerwache in Kreuzberg auf dem Scheiterhaufen.

In der Schweiz versteigert

Ein Beispiel für die herben Verluste ist Amedeo Modiglianis 1917/1918 entstandenes „Porträt Jeanne Hebuterne“. Das Werk gehörte zu einer Gruppe von 15 italienischen Gemälden, die im Rahmen eines Bildertauschs im Dezember 1932 nach Berlin kamen. Hermann Göring eröffnete „Neue italienische Meister“ im Februar 1933. 1937 landete das Bild im Sammeldepot „Entartete Kunst“ auf Schloss Schönhausen, weil der Künstler Jude war, und wurde schließlich 1939 in der Schweiz versteigert. Es befindet sich heute unzugänglich in einer Privatsammlung. Verschollen ist das „Schicksalsbild deutscher Kunst im 20. Jahrhundert“, Franz Marcs legendärer „Turm der blauen Pferde“ (1913). 1919 angekauft, 1937 in der Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt, nach Protest unter anderem des Deutschen Offiziersbundes wieder zurück nach Berlin gebracht, geriet es in Görings Verfügungsgewalt und wurde zuletzt nach Kriegsende von Augenzeugen an unterschiedlichen Orten gesichtet.

Während der sanierungsbedingten Schließung der Neuen Nationalgalerie am Kulturforum werden Werke der klassischen Moderne in wechselnden Ausstellungen im Hamburger Bahnhof in der Invalidenstraße 50-51 gezeigt. „Die schwarzen Jahre. Geschichte einer Sammlung 1933-1945“ ist die erste Ausstellung und bis 31. Juli dienstags, mittwochs und freitags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt zur Ausstellung kostet acht, ermäßigt vier Euro. KEN

Weitere Informationen auf www.smb.museum/hbf.
Mario Tozzis Gemälde "Die geschlossene Tür" (Ausschnitt) um 1932 gehört zu den 15 Bildern, die noch vor der NS-Machtübernahme nach Berlin kamen. | Foto: KEN
"Die schwarzen Jahre" ist eine Ausstellungen mit vielen Einsichten und Durchblicken. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 102× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 899× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 573× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.072× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.959× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.