Familien und Musiker protestieren gegen Bezirksamtsbeschluss
Galt die Aufgabe des Rathauses Wilmersdorfs einst als Schritt, der den Bezirk von Unterhaltskosten in Höhe von drei Millionen Euro im Jahr befreien soll, wird nun deutlich, dass dieses günstige Wirtschaften wohl nicht ohne Einschnitte bei Kultur und Bildung zu haben sein wird. Denn der aktuelle Stand des Umzugsplans ist folgender: Alle Abteilungen des Bezirks, die im Rathaus Wilmersdorf Dienst verrichten, verlassen die Immobilie zum Jahresende. Das Vermessungsamt zieht ins Rathaus Schmargendorf, verdrängt dort aber nicht mehr die Adolf-Reichwein-Bibliothek, sondern die Musikschule. Diese wiederum zieht während der Sommerferien ins Hortgebäude der Carl-Orff-Grundschule in der Berkaer Straße. Und zwingt 65 Kinder zum Umsiedeln ins Hauptgebäude.
Dort, so haben die Prüfungen von Immobilienstadträtin Dagmar König (CDU) und Schulstadträtin Elfi Jantzen (Grüne) ergeben, müssten Platzreserven vorhanden sein. Für den Ganztagsbetrieb vorgegeben seien laut König 34,5 Räume, doch die Carl-Orff-Schule habe 39 - ohne das Hortgebäude, das damit als Überschuss gilt.
"Dies ist eine Überausstattung, die ich jedem gönne, so lange wir die Kapazitäten haben", erklärt die Stadträtin. Mit dem Rathausleerzug, bei dem ohnehin alle Abteilungen enger zusammenrücken müssen, sei jede Kapazität verbraucht. König kritisiert, dass die Schule sich noch nicht auf den Ganztagsbetrieb eingestellt habe. Der sieht vor, dass Räume mehrfach zu nutzen sind. Vor dem Beschluss des Bezirksamts zu Ungunsten der Carl-Orff-Schule habe man nach Alternativen gesucht, aber keine gefunden: "Der Erfolg war gleich Null." Und so lässt kein Entscheidungsträger erkennen, den Beschluss noch überdenken zu wollen, trotz massiver Proteste seitens der Schulleitung und der Elternschaft.Die harte Linie der Entscheidungsträger facht den Aufstand der Elternschaft weiter an. Und auch die Musikschule, die ihren Idealstandort im Rathaus Schmargendorf abtreten muss, leistet Widerstand.
"Eine Frechheit", ruft Mark Schmiechen. Was der Elternvertreter der Carl-Orff-Grundschule eben auf der Zuschauertribüne des BVV-Saals vernommen hat, sorgt bei ihm und seinen Dutzenden Begleitern - darunter etliche Kinder mit Protestplakaten - für neues Entsetzen. Bis jetzt hatte man noch geglaubt, das Bezirksamt zum Umdenken zu bewegen. Schmiechens Schluss: "Man will also eine qualitativ gut aufgestellte Schule mit gutem Raumkonzept in ihrer Qualität senken. Das kann doch nicht sein." Was ihn stört, ist die Tatsache, dass Beamte beim Umzug aus dem Rathaus Wilmersdorf auf weitläufige Raumzuschnitte bestehen, aber an der Schule nur auf die Anzahl der Räume geschaut wird, egal wie ungünstig sie geschnitten sind. Vor allem empört ihn aber der Fakt, dass die Begehung der Schule durch Entscheidungsträger noch immer aussteht. "Sie haben es am grünen Tisch entscheiden", beschwert sich Schmiechen.
In den Sommerferien also soll das Hortgebäude in die Hände der Musikschule gelangen. Und diese wird sich dadurch nicht nur in ungünstigere Räumlichkeiten begeben, sondern sich auch deutlich verkleinern müssen.
"Damit beschließt das Bezirksamt, ein gelungenes Bildungskonzept für Kinder und Jugendliche auseinander zu reißen", warnt Sprecher Dirk Strakhof. Und verweist auf Bemühungen, die dann zunichte gemacht würden. "Erst 2004 hatte der Bezirk die Musikschule ins Rathaus geholt, um das Gebäude mit Leben zu erfüllen und der großen Nachfrage der Bevölkerung nach Musikunterricht entgegenzukommen. Mit viel Geld wurden zwei Etagen renoviert und fachgerecht ausgestattet", sagt Strakhof. "Der Standort Schmargendorf blühte auf, und die Musikschule erwirtschaftet jährlich bis zu einer Million Euro Budgetgewinn für den Bezirkshaushalt."
Nicht nur eine Schule steht auf den Barrikaden. Auch eine Kultureinrichtung, die 400 Bürger regelmäßig nutzen. Angesichts dieser Probleme werden auch bei den Bezirksverordneten Zweifel laut, ob man die Aufgabe des Rathauses Wilmersdorf derart brachial erzwingen sollte. Holger Wuttig von der SPD schlägt zum Beispiel vor, externe Büroflächen für die Rathausmitarbeiter anzumieten.
Und Ansgar Gusy (Grüne) fordert angesichts des unerwarteten Platzbedarfs von zusätzlichen 1500 Quadratmetern beim Rathausleerzug ein völlig neues Gesamtkonzept. Es könne nicht sein, dass man Immobilien abgibt, wenn dadurch keine Verkleinerung von Räumlichkeiten eintritt, sondern ein Mehrbedarf.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.