Über 1000 Siemens-Mitarbeiter protestieren lautstark gegen die Betriebsschließung

Lautstark verschaffen sich die Siemens-Mitarbeiter Gehör für ihren Protest. | Foto: Ulrike Kiefert
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von Ulrike Kiefert

Wut, Enttäuschung, Angst: Über 1000 Siemensianer haben am 17. November vor der Siemens-Hauptverwaltung lautstark gegen den geplanten Kahlschlag demonstriert. Sie alle bangen um ihre Jobs.

Die Kundgebung war eine klare Kampfansage. „Schweige nimmer, kämpfe immer“, „Ihr habt uns belogen und betrogen“, „Wir wollen Fortschritt statt Einschnitt“. Ihren Zorn hatten die rund 1300 Siemens-Mitarbeiter aber nicht nur auf Plakaten und Bannern formuliert. Mit Vuvuzelas und Trillerpfeifen machten sie ihrem Protest vor dem Siemens-Verwaltungssitz an der Nonnendammallee 101 auch lauthals Luft. Die meisten kamen aus dem Dynamowerk gleich gegenüber, wo derweil die Arbeit ruhte.

Im Dynamowerk Spandau will Siemens die komplette Fertigung schließen. 570 Arbeitsplätze fallen damit weg. Die Fertigung soll nach Erfurt und Mühlberg ausgelagert werden. „Ohne Fertigung aber ist das Dynamowerk tot. Damit droht am Ende allen 870 Mitarbeitern die Entlassung“, befürchtet der Betriebsratsvorsitzende Predrag Savic. Weitere 300 Beschäftigte will der Elektrokonzern im Gasturbinenwerk in Moabit wegkürzen. Damit fallen bei Siemens berlinweit rund 1000 Arbeitsplätze weg (http://www.berliner-woche.de/haselhorst/wirtschaft/stimmung-ist-positiv-aggressiv-siemens-will-dynamowerk-in-spandau-schliessen-d136962.html).

„Da hat man Existenzängste“

Die Mitarbeiter mussten von ihren Kündigungen aus der Presse erfahren. „Erst heute wurden wir offiziell vom Vorstand informiert“, ärgerten sich Jochen Steinmann und Davor Pranjic. Beide arbeiten seit über 30 Jahren im Dynamowerk in Siemensstadt. Jochen Steinmann ist 49 Jahre alt, Davor Pranjic 52. „Da hat man Existenzängste.“ Wie viele ihrer Kollegen haben sie aber die Hoffnung, dass Siemens seine Entscheidung noch rückgängig macht. Davor Pranjic: „Wir gehen optimistisch in den Arbeitskampf.“

Das sieht auch Klaus Abel so, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, die zu der Kundgebung am 17. November aufgerufen hatte. „Wir stehen Arm in Arm zusammen und werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“, kündigte Abel an. Auch bei Ledvance (Osram) in Siemensstadt, wo 220 Stellen bis Ende 2018 gekürzt werden sollen, und viele betroffene Mitarbeiter mit den Siemensianern demonstrierten. „Wir haben gute Argumente und Ideen, und noch ist nichts entschieden“, rief Klaus Abel den Protesteilnehmern vom Podium aus zu. „Es gibt Gesetze, Tarifverträge und eine Vereinbarung mit uns, die betriebsbedingte Kündigungen gerade in schwierigen Zeiten ausschließt. Daran hat sich Siemens zu halten.“ Der Konzern sei auch kein Sanierungsfall, weshalb er den Stellenabbau nicht verstehe. „Siemens hat zuletzt einen Gewinn von 6,5 Milliarden Euro gemacht. Wir sind also kein Sanierungsfall.“

Vertrauen verspielt

Der Widerstand der Siemensianer hat auch die Politik und den Bezirk mobilisiert. Der Siemensstandort in Spandau ist immerhin 111 Jahre alt. „Und den wollen wir gemeinsam mit euch retten“, sagte Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) auf der Kundgebung. Siemens verspiele hier das Vertrauen und die Zuverlässigkeit, die ein Unternehmen ausmache und trete die Rechte der Mitarbeiter mit Füßen.

Der Spandauer Bundestagsabgeordnete Kai Wegner (CDU) kritisierte Siemens für die Personalentscheidung ebenfalls scharf. „So kann man mit seinen Mitarbeitern nicht umgehen. Das ist eine Riesensauerei und ein schwarzer Tag für den Industriestandort Siemensstadt.“ Denn es gebe Alternativen zum Kahlschlag, so Wegner. „Der Siemens-Vorstand muss nur bereit sein zuzuhören.“ Der Bundestagsabgeordnete hatte sich über Wochen beim Siemens-Chef und beim Regierenden Bürgermeister für den Erhalt des Standortes und der Arbeitsplätze eingesetzt, als erste Spekulationen die Runde machten.

Ausverkauf stoppen

Mit Kai Wegner bezog auch der Spandauer Bundestagsabgeordnete Swen Schulz (SPD) auf der Kundgebung Stellung. „Stellen streichen, weil die Siemens-Werke angeblich nicht rentabel sind, und gleichzeitig Milliarden verdienen, das geht einfach nicht.“ Die Situation sei auch durch Managementfehler und durch teure Fehleinkäufe im Ausland mitverursacht worden, die nun die Mitarbeiter ausbaden müssten, kritisierte Schulz weiter. Um diesen Ausverkauf zu stoppen, sei die Politik nun gefordert, Siemens Angebote zu machen, um den Produktionsstandort Berlin noch attraktiver zu machen, beispielsweise durch eine engere Verzahnung mit der Forschung. „Siemens muss aber auch klar sein, dass es die Unterstützung der Politik verliert, wenn die Pläne verwirklicht werden“, so Schulz.

Die IG Metall kündigte indes weitere Proteste in Berlin an. Am 20. November wollen die Mitarbeiter des Siemens-Gasturbinenwerks in Moabit ihr Werk ab 12 Uhr symbolisch „umarmen“. Und am 23. November ist eine große Kundgebung mit Delegationen aus ganz Deutschland vor dem Hotel Estrel, Sonnenallee 225, geplant. Dort tagen ab 8 Uhr die bundesweiten Siemens-Betriebsräte.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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