„Es kann jeden treffen“: Dr. Bernd Donnerhack über Leid in Körper und Seele

Neue Perspektiven geben: Dr. Bernd Donnerhack hilft Ausgebrannten, Depressiven und Suchtkranken bei der Genesung. | Foto: Thomas Schubert
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Wilmersdorf. Druck im Beruf, Burnout, psychische Erkrankungen, die sich körperlich äußern: Als leitender Arzt beim gemeinnützigen Träger Tannenhof kennt Dr. Bernd Donnerhack die Folgen von Arbeitsverdichtung und Anpassungsproblemen bei neuen Herausforderungen. Mit Reporter Thomas Schubert sprach der Spezialist für psychosomatische Erkrankungen über Ursachen, Behandlungswege und Möglichkeiten zur Vorbeugung.

Von welchen Beschwerden berichten Ihre Patienten?

Bernd Donnerhack: Die Patienten kommen mit allen Varianten von psychosomatischen Beschwerden, vor allem mit Depression. Dies ist eines der häufigsten Krankheitsbilder, die wir zur Zeit behandeln. Außerdem mit Angststörungen oder z.B. auch mit somatischen Problemen. Das heißt, dass die Seele so belastet ist, dass sie ihre Belastung über körperliche Beschwerden ausdrückt. Die Folge ist, dass die Möglichkeiten, am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sich immer weiter einschränken.

Wie verfahren Sie bei der Behandlung?

Bernd Donnerhack: Viele psychosomatische Krankheiten haben eines gemeinsam: Die Vielfalt gelebter Gefühle des Menschen verschwindet hinter einem dominierenden Gefühl der Traurigkeit, der Angst oder des Schmerzes, das alles überdeckt. Dieses eine Gefühl bestimmt dann die Wahrnehmung der Welt und verhindert den eigenen Zugang zu sich selbst. Schlaflosigkeit, Ruhelosigkeit und zunehmende innere Leere können folgen. Bei unserer Behandlung geht es darum, dass die Patienten die innere Ruhe, die sie verloren haben, wieder zurückgewinnen. Dazu setzen wir Entspannungsverfahren ein und stärken die Achtsamkeit für sich selbst und den anderen. Wir versuchen, die Menschen vom inneren Hamsterrad wegzuholen. Sie sollen sagen können: Jetzt ist Zeit für mich! Neben den meditativen Verfahren setzen wir auf Kreativtherapien und Gruppentherapie. Auch da sitzt zwar ein Fachmann in der Runde. Aber es geht hier um die Verständigung zwischen den Teilnehmern. Jeder von ihnen hat ja ein Krankheitsbild mitgebracht. Also sitzt man im gleichen Boot. Heilung beginnt mit Verständnis.

Kommen Erkrankungen wie das Burnout-Syndrom tatsächlich häufiger vor oder sind die Menschen für dieses Leiden nur sensibler geworden?

Bernd Donnerhack: Man könnte sagen, Burnout ist etwas, das von der Gesellschaft zunächst eher akzeptiert wird als andere psychische Probleme. Man hat alles gegeben und ist dann ausgebrannt. Und das spiegelt gut wider, wie wir unsere Welt sehen. Das Ideal ist die Jugend. Und die Älteren versuchen, diesem Ideal gerecht zu werden. Aber es gibt verschiedene Lebensabschnitte. Und jeder von ihnen braucht eine andere Strategie. Von Burnout besonders betroffen ist der Altersbereich von Mitte 30 bis Mitte 50. Da haben wir Menschen, die mitten in der Arbeitswelt stehen, dort vielleicht viel erreicht haben, aber andere sinngebende Veränderungen, die sie hätten anpacken sollen, vernachlässigt haben. Nun ist die Sinngebung nicht mehr die gleiche wie jene bei einem 25-Jährigen. Und plötzlich hat sich der Betroffene in seinem Inneren verloren. So weitermachen wie bisher geht nicht mehr. Und zugleich gibt es in unserer Gesellschaft große Leistungsanforderungen. Und diese beiden Stränge kommen zusammen. Beides haben wir in den letzten 2000 Jahren so nicht gehabt. Es gab zwar immer hart arbeitende Menschen, aber heute müssen wir uns ständig neu orientieren und verändern.

Welche Gruppen von Menschen sind besonders gefährdet?

Bernd Donnerhack: Es ist fraglich, ob wir das auf bestimmte Menschengruppen begrenzen können. Die Wahrheit ist: Es kann jeden treffen. Erst sagt man: Bei mir nicht. Aber jeder kommt im Leben an Wendepunkte, wo es darum geht, sich zu verändern. Wo man alte Merksätze und Ideale überdenken und vielleicht loslassen sollte, auch wenn diese womöglich noch aus der Kindheit stammen und uns bisher begleitet haben. Wir brauchen in der Gegenwart, im Hier und Heute, den Mut etwas auch anders zu machen als früher. Nun ist nicht jeder Mensch ein Ausbund der Flexibilität – aber das Leben verlangt sie auch noch im Alter.

Wie kann man die Probleme bei sich selbst erkennen? Und was empfehlen Sie zur Vorbeugung?

Bernd Donnerhack: Typisch ist das wachsende Gefühl der inneren Leere, die schwindende Energie und der Eindruck, nicht mehr zu wissen, wie es weitergeht. Wenn ich versuche, mit immer mehr Kraft, das zu schaffen, was früher mit Leichtigkeit gelang. Abends herrscht Erschöpfung vor, Gespräche in der Partnerschaft werden seltener, es kommt zum sozialen Rückzug. Und wenn sich zwei Tage nach einem längeren Urlaub wieder die gleiche Erschöpfung einstellt, sollte das ein Warnzeichen sein. Zur Vorbeugung hilft es, offener durchs Leben zu gehen, sich selbst zu begegnen, in sich hineinzuhören und zu fragen: Was würde mir jetzt gut tun? Wie setze ich meine Kraft ein, so dass noch etwas für mich und meine Familie übrig bleibt? Fragen Sie sich: Was hat mir heute Freude gemacht? Vielleicht nur eine Kleinigkeit. Es kann etwas sein, das den Tag mit einem Lächeln beginnen ließ. Und warum sollte ich ihn nicht auch mit einem Lächeln beenden?

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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