Die Eskapade des Erwin S
Warum ein Spandauer Schüler nach dem Mauerbau weltberühmt wurde

Erwin Schabe, begleitet von Panzerspähwagen und Soldaten auf dem Weg zur Schule.  | Foto: British National Army Museum
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  • Erwin Schabe, begleitet von Panzerspähwagen und Soldaten auf dem Weg zur Schule.
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Am 13. August jährt sich zum 60. Mal der Bau der Berliner Mauer. Von dem Betonwall, der etwas mehr als 28 Jahre existierte, ist kaum noch etwas übrig. Wo er einst verlief, gibt es jetzt den Berliner Mauerweg.

Entlang des Mauerwegs stehen viele Gedenkstelen, die vor allem an die Todesopfer gescheiterter Fluchtversuche erinnern. Auch am Eingang zur kleinen Wohnkolonie Eiskeller im äußersten Nordwesten von Spandau befindet sich ein Stelenensemble. Dort wird über eine besondere Geschichte berichtet, die sich kurz nach dem Mauerbau zugetragen hat. In ihrem Mittelpunkt stand der damals zwölfjährige Erwin Schabe. Er wurde zum weltberühmten Helden. Erst nach dem Mauerfall räumt er selbst ein, dass er damals "Fake News" in die Welt gesetzt hatte.

Erwin lebt 1961 mit seiner Familie im Eiskeller. Nach dem 13. August wird das Terrain zu einer Enklave. Die Mauer umschließt es fast vollständig. Nur eine kleine Straße verbindet Eiskeller noch mit Spandau. Links und rechts von ihr befindet sich der Grenzwall.

Panzerspähwagen sichert Schulweg ab

Erwin muss diesen Weg fast täglich passieren, um zu seiner Schule in Hakenfelde zu kommen. Er legt ihn mit dem Fahrrad zurück. Wenige Wochen nach dem Mauerbau kommt der Junge aber nicht in der Schule an. Er bleibt zunächst verschwunden, taucht nach einigen Stunden wieder auf und erzählt eine Geschichte, die weiteres Eskalationspotenzial in der ohnehin angespannten Zeit barg.

Er sei von DDR-Volkspolizisten abgefangen und festgehalten worden, berichtete Erwin. Nach diesem Erlebnis traue er sich nicht mehr allein auf den Grenzweg. Was allgemein verständlich war. Die britische Schutzmacht, in deren Sektor Spandau lag, reagierte unverzüglich und ließ den Zwölfjährigen ab sofort durch Soldaten begleiten. Diese Bilder gingen dann um die Welt, eines davon befindet auch an einer Stele am Eiskeller. Erwin, vorneweg mit seinem Fahrrad, dahinter ein Panzerspähwagen der Royal Army.

Mitgefühl, Sympathie, auch Bewunderung waren dem Jungen sicher. Wer bekommt schon militärischen Schutz auf dem Weg in die Schule? Erwin erhielt Fanpost aus vielen Ländern, war Held in Zeitungsartikeln und ein Bonner Beamter lud ihn für eine Woche zur Erholung an den Rhein ein. Ein mutiger Jugendlicher aus einer Spandauer Enklave trotzt dem Zwangsregime jenseits der betonierten Grenze. Ein Mutmacher in den schweren Wochen nach dem Mauerbau.

Geständnis Jahre nach Mauerfall

Es gab nur einen Haken. Die Erzählung stimmte nicht. Erwin Schabe hatte sie sich ausgedacht, weil er an diesem Tag die Schule geschwänzt hatte. Die Idee, sein Fernbleiben vom Unterricht mit einem Übergriff der DDR-Organe zu begründen, wäre naheliegend gewesen, erklärte er anlässlich seiner Beichte. Denn er habe die Grenztruppen ja regelmäßig beobachten können.

Dass er damals nicht die Wahrheit gesagt hatte, räumte Erwin erst 1994 öffentlich ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Mauer schon mehr als vier Jahre gefallen, die Wiedervereinigung lag über drei Jahre zurück, Eiskeller war keine Enklave mehr. Sein Geständnis machte aber noch einmal Schlagzeilen. Auch das Spandauer Volksblatt hat damals darüber berichtet.

Den Briten und auch den deutschen Behörden wäre seine Eskapade bereits sehr früh bekannt gewesen, ließ der einst weltbekannte Eiskeller-Bewohner ebenfalls durchblicken. Es habe aber anscheinend kein Interesse bestanden, sie richtig zu stellen.

Ein wichtiges Detail hätte damals vielleicht darauf schließen lassen. Die Begleitung zur Schule per Panzerspähwagen war nach einigen Monaten eingestellt worden.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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