Zweite Chance für alte Klamotten
Kathrin Diestel setzt in ihrem Atelier auf Nachhaltigkeit und Kreativität
Die „Fast-Fashion-Industrie“ ist ihr ein Dorn im Auge. Dass es völlig unnötig ist, sich alle sechs Wochen neue Kleidung zu kaufen und die alte wegzuwerfen, will Kathrin Diestel vermitteln. In ihrem Atelier im Kunst- und Gewerbehof Schmargendorf zeigt die Textilkünstlerin, wie das geht und aus alten Sachen etwas schönes Neues gefertigt werden kann.
„Jedes Stück verdient eine zweite Chance“ steht am Eingang des Ateliers von Kathrin Diestel, das sich im Künstlerhof an der Breiten Straße befindet. Im historischen Ambiente des ehemaligen Gewerbehofes ist ein kreativer Ort entstanden. Neben dem Patchwork- und Recycling-Atelier gibt es dort ein Bildhauer-Atelier und einen Stoffladen. Die studierte Lehrerin hatte mitten in der Corona-Pandemie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und Anfang 2020 ihr Geschäft eröffnet. An den Wänden des Ateliers hängen prachtvolle Quilts, die mit viel Phantasie und Kreativität von der 61-Jährigen kunstvoll angefertigt wurden. Verwendet hat sie ausschließlich gebrauchte Stoffe, Restpartien oder Neuware, die nach Global Organic Textile Standards (GOTS) produziert werden.
„Das Beste ist natürlich, einfach die Textilien zu benutzen, die schon im Schrank hängen, aber nicht mehr getragen werden. Kleidungsstücke, die nicht mehr passen, Löcher oder Flecken haben oder schlicht nicht mehr gefallen, bekommen als Quilt ein neues Leben. Patchwork ist eine fantastische Möglichkeit, alte Lieblingsstücke in neue Gesamtkunstwerke zu verwandeln“, sagt Diestel. In ihrem Atelier verkauft sie die Stücke auch. Das sind Kissenhüllen, Tischdecken, Miniquilts oder Überwürfe für Betten und Sofas. Ebenso fertigt sie Taschen oder niedliche Stofftiere aus Stoffresten.
Aber auch Klamotten, die kaputt sind, müssen nicht zwangsläufig in der Tonne landen. Sie können durch lebensverlängernde Maßnahmen – sprich Reparaturen und Ausbesserungsarbeiten – ihrem Träger noch lange Freude bereiten. Dafür bietet Diestel ein Repair Café an. An jedem ersten Sonnabend kann dort jeder seine kaputte Kleidung reparieren. Das Material zum Ausbessern stellt die Künstlerin zur Verfügung, auch Nähmaschinen stehen bereit. Ungeübten steht sie mit Rat und Tat zur Seite.
Heute ist zum Beispiel Lennard Großmann hier. Der 32-Jährige möchte seine Jacke reparieren. Es ist seine Lieblingsjacke, doch sie hat einen Riss. „Es wäre schade, sie deshalb wegzuwerfen“, sagt er und setzt mit Anleitung der Fachfrau einen Flicken auf den Riss. Es sei das erste Mal, dass er Nadel und Faden selbst benutzt, gesteht er. Doch dafür mache er das gut, lobt Kathrin Diestel. Sie freut sich über jeden „Textilretter“, der ins Café kommt. Inzwischen gibt es so etwas wie Stammkunden, die regelmäßig kommen. Das sind meist Mütter, die hier kaputte Kinderkleidung ausbessern oder umarbeiten. Wer mehr will, kann auch einen der Workshops von Kathrin Diestel besuchen. Im Recycling-Workshop lernen die Teilnehmer, wie aus vermeintlichem Müll neue Gebrauchsgegenstände hergestellt werden. Zum Beispiel sind Tetrapacks ideal für die Herstellung von Lunchpacks oder Stoffkörbchen, sogenannte Utensilos.
Diestel freut sich über das wachsende Interesse an ihrem Angebot. Zum einen gebe es immer mehr Menschen, die es sich schlicht nicht leisten können, Kleidungsstücke einfach wegzuwerfen. Denen zeige sie, wie sie ihre Sachen noch lange nutzen können. Doch auch das sei spürbar: „Das Bewusstsein, weniger Müll zu produzieren, steigt zunehmend“, sagt sie.
Regelmäßige Angebote im Patchwork- und Recyling-Atelier in der Breiten Straße 20 sind das Repair Café an jedem ersten Sonnabend im Monat und der Recycling-Workshop an jedem dritten Sonnabend im Monat, jeweils von 11 bis 16 Uhr. Darüber hinaus bietet Kathrin Diestel Ferienkurse für Kinder und Patchworkkurse an. Geöffnet ist das Atelier Montag bis Donnerstag von 12 bis 17 Uhr und Freitag von 12 bis 15.30 Uhr. Weitere Infos auf www.quilts.berlin.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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