Häftlinge der JVA Tegel spielen Schillers Wallenstein
Bevor es in das eigentliche Freilufttheater geht, werden die Besucher durch das Erdgeschoss der Teilanstalt 1 geführt. Die Zellen dort sind wenig größer als fünf Quadratmeter, und sie dürfen deswegen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht mehr belegt werden. Die Häftlinge, die das Ensemble bilden, stehen in diesen engen Räumen, die voll erscheinen, wenn sich dort nur ein Mensch befindet. Sie sehen ausdruckslos oder verzweifelt an die Wände, einer übt sich im Boxen. Zuvor schon sinnierten die Amateurschauspieler, die sich alle eine beachtliche Sprechtechnik angeeignet haben, über das Lager an sich: Es schützt mit seinen Wachen, Mauern und Zäunen Menschen - vielleicht die, die drinnen sind, aber auch die, die draußen bleiben.
Es geht also nicht nur um die von Friedrich Schiller beschriebene Situation im Dreißigjährigen Krieg, als der Feldherr Wallenstein seine Truppen in Pilsen zusammenzieht. Es geht um das Eingesperrtsein und den Wunsch nach Freiheit, die Langeweile im Knast wie auch im Militärlager, wenn nichts passiert.
Atanassow hat Schillers Text ergänzt mit den Zitaten anderer Dichter, aber auch mit Texten der Häftlinge selbst. Einer von ihnen ist ein Mann, der wegen Betrugs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Er freut sich, dass die Generalprobe am 18. Juni ohne Stocken über Flur und Wiese ging, und er verspricht für die kommenden Aufführungen noch mehr Pepp von allen. Gleichwohl erklärt er, dass er bei einer weiteren Inszenierung nicht dabei sein wird. Für seine Zukunft sind ihm die Schulstunden, die er im Gefängnis bekommt, und die Arbeitsmöglichkeiten wichtiger. Obwohl gerade er besonders professionell wirkt. Früher sang er oft vor Kirchengemeinden, und ist es so gewohnt, vor Publikum aufzutreten.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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