Eine kleine Weihnachtsgeschichte aus Französisch Buchholz
Es weihnachtet ... glitzert und funkelt und ein Hauch von Vorderem Orient

Ohrstecker, ein Paar, Türkis in Goldfassung. Links: Kopie des originalen rechten Ohrsteckers, gemacht von Johannes Ersay | Foto: Anne Schäfer-Junker
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  • Ohrstecker, ein Paar, Türkis in Goldfassung. Links: Kopie des originalen rechten Ohrsteckers, gemacht von Johannes Ersay
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Es weihnachtet sehr - es glitzert und funkelt ... Da ist sie wieder, die Spur der edlen Steine in hell erleuchteten Juweliergeschäften mit ihren Kostbarkeiten, schlicht Schmuck genannt - eine Überraschung im Nachbarort Niederschönhausen. Vielleicht besonders in der Weihnachtszeit interessieren uns die glitzernden und strahlenden Spuren der edlen Steine in ihren kunstvollen Fassungen als Ringe, Ketten, Ohrgehänge und Armreifen. Als Kinder haben wir uns die Nasen an den Schmuckgeschäften platt gedrückt (so war es jedenfalls in meiner Kindheit) und gestaunt und geträumt und konnten Echt oder Unecht nicht unterscheiden. Die glitzernden und funkelnden Steine, die in Gold oder Silber gefassten strahlenden Opale, Achate, Amethyste, Mondsteine, Perlen, Smaragde, Diamanten oder Türkise, wie die kleinen Türkise meiner Ohrstecker auf diesem Bild.

Trauer setzt ein, wenn ein solch edles Stück verloren geht. So erging es mir vor einem Jahr, als ich den einen meiner beiden als Paar in Gold gefassten türkisen Ohrstecker verlor. Ich war ziemlich unglücklich, zumal es sich um ein Erinnerungsstück handelte und es sich als schwierig erwies, in meiner Nähe einen Goldschmied zu finden, der die handwerkliche Fähigkeit und die Geduld besaß, mir eine genaue Kopie des noch vorhandenen Goldsteckers zu einem bezahlbaren Preis (Handarbeit!) herzustellen. In ganz Französisch Buchholz gibt es nicht nur kein schönes Café mehr, keinen Fahrradladen, keine Papeterien (alles Schöne aus Papier, gern auch Schreibwarenläden), keine Modeläden mehr, es gibt auch keinen Juwelier!

Doch eines Tages entdeckte ich in meiner alten Wohngegend nahe dem Ossietzky-Platz in Niederschönhausen ein neues Geschäft. Es glitzerte und funkelte, fast wie in meiner Kindheit, wo Thüringer Bijouterie- und Goldschmiedearbeiten sehr gefragt waren. Ich traute meinen Augen kaum, in der Nähe der Friedenskirche war ein neuer Laden der bekannten Juwelier-Familie Ersay eröffnet worden. Noch zögerte ich hinein zu gehen, aber mehr als erfolglos sein konnte ich ja nicht. So betrat ich zaghaft das Geschäft und wurde sehr nett von einem älteren Herrn begrüßt. Zusammen mit seiner Frau führt er das neue Geschäft, das mich ein bisschen an Schinkels strahlenden Sternenhimmel in der Zauberflöte erinnerte. Den zweiten Ohrstecker hatte ich dabei und auf meine Frage kam alsbald der Satz: „Suchen Sie sich einen Türkis aus, selbstverständlich mache ich Ihnen einen gleichen Ohrstecker in Gold.“

Ich war ziemlich froh, noch etwas skeptisch, und willigte ein. Dabei musste ich an die Zeit denken, die dieses Erinnerungsstück verkörperte. Aber mein Wunsch stand doch unter einem guten Stern, wie man so sagt. Als ich nach zwei, drei Wochen wieder erschien, um das kleine wertvolle – für mich wertvolle - Ohrsteckerchen abzuholen, hatten Johannes Ersay und seine Frau Rosa etwas Zeit und wir plauderten über das jahrtausende alte Handwerk der Goldschmiedekunst und Schmuckgestaltung. Ich wusste nicht viel von den Goldschmieden im Altertum in der Antike und den Gold- und Silberschmieden im Orient, aber schöne Schmuckstücke in den Museen mit antiken Kunstwerken, beispielsweise im Alten Museum und im Vorderasiatischen Museum, waren mir schon bekannt. Und so erfuhr ich, dass Familie Ersay ihre familiären Wurzeln im Zweistromland hatte und ihrer Herkunft nach aramäische Christen sind. Wir suchten die traditionellen Formen und Gestaltungen an einigen Ketten zu finden, oder in ihrer schönen, rhythmischen Gestaltung zu vergleichen und Johannes und Rosa Ersay zeigten mir die zarten, wunderbaren zusammengehörenden Ohrgehänge und Halsdiademe – alles für die Schönheit und Ausstrahlung einzelner „Wesen“ gemacht. Ich war fasziniert und fand bestätigt, dass handwerkliche Tradition, mit Hingabe zu Werkstoff und gefühlvoller Form, auch heute einmalig Schönes hervorbringt. Sicher, die Besucherinnen und Kunden der Juweliersfamilie müssen das Schöne sehen können und edle Steine und Schmuck mögen. Schließlich geht es nicht nur um pures Handwerk, sondern Schmuck dient der Verschönerung des menschlichen Körpers. Doch im Falle von Johannes und Rosa Ersay erlebt man das Herzblut für den Beruf, das Gefühl für alles Zarte was in Edelmetall, mit und ohne Edelstein zu Schönheit gelangt. Unmerklich entsteht Freude und ich kann die Kunstfertigkeit eines Goldschmiedes ahnen.

Es gehört aber auch zur Geschichte der Techniken der Gefäß- und Schmuckherstellung im Altertum, dass nicht alles Handarbeit war. Sondern, dass Schmuck in steinernen Gussformen (sog. Schalenguß) gegossen werden konnte, beispielsweise kleine Armreifen. Die Model, die wir heute als Butter-Holzmodel kennen, gab es im Altertum schon als Model (Negativform) aus Stein zur Ausformung kleiner Schmuckgegenstände oder Spielzeug. In unserem industriellen Zeitalter ist das ein Blick zurück in die Zeit der Anfänge der heute noch größtenteils angewandten handwerklichen Techniken und technologischen Verfahren.*

Eines ist allen Steinen gemeinsam, der Großen Granitschale aus Rauen (6,91 m Durchmesser, 75 Tonnen Gewicht) – steht vor dem Alten Museum auf der Museumsinsel Berlin - oder der Türkis als Edelstein: sie alle haben in sich und äußerlich ihre mineralogischen Gesteinsmerkmale und verraten Kennern sofort ihre Fundorte. Es gibt mehr als 3000 Gesteinsarten, die oft tief im Inneren der Erde verborgen sind oder gefunden und geborgen wurden. Sie wurden vom Menschen bearbeitet, zerschnitten, geformt, zerteilt, die edlen Steine geschliffen mit kunstvollem Schliff. Egal ob Steinmetz, Steinschleifer oder Juwelier – sie alle verfolgen die Spur der Steine und schaffen mit ihrem Handwerk oftmals kleine und große Wunder. Für uns Menschen hat die Geschichte der Edelsteine eine besondere Bedeutung hinsichtlich ihrer Verwendung bei industriellen Technologien

Französisch Buchholz hat 3 große „eiszeitliche Geschiebe“, wie man die Findlinge nennt, von herausragender Bedeutung. Die Spur der Steine hat den Menschen schon immer bewegt – sowohl die der groben Steine, wie der Gedenksteine, der Mosaiksteinchen oder der Grabsteine, als auch der vielen Edelsteine, die erst durch die Künstler-Hände zu Schönheit und Ruhm gelangen. Man könnte auch sagen, dass es die Spur der Schönheit ist, die uns mal mehr, mal weniger ein Leben lang begleitet. Nicht immer kennen wir die großartige Verarbeitung und Herstellung durch Steinschleifer, Juweliere und Designer.

Traurig könnte man aber auch den Zustand nennen, in dem die Umweltbehörde des Berliner Senats ihre Naturdenkmäler(!) Großer Steine belässt – beispielsweise eine Schutzlosigkeit und Desinteresse an einem bedeutenden Naturdenkmal beim Autobahnausbau an der A 114: dem Großen Stein von Französisch Buchholz an der Bucher Straße.

Anne Schäfer-Junker (anne.junker@gmx.de )

*1990-1991 konnten die Museumsbesucher des Vorderasiatischen Museums im Pergamonmuseum in einer kleinen aber lehrreichen Ausstellung Handwerk und Technologien im Alten Orient kennen lernen.

Autor:

Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz

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