Gemalte Liebesbriefe werden Kunstobjekte
"Die Überlassung der Bilderbriefe von Paran Gschrey", sagt Archivdirektor Wolfgang Trautwein, "war ein entscheidender Impuls für die Ausstellung {sbquo}Arte Postale - Bilderbriefe, Künstlerpostkarten und Mail Art." Adressat der Briefe ist Katharina Ehrlicher. Als junges Mädchen hatte sie unter Lebensgefahr bei der Bekennenden Kirche in Charlottenburg Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet. Nach dem Krieg bekam sie an der Werkkunstschule in Bielefeld einen Lehrauftrag. Ihr Mann, der Künstler Paran Gschrey, gehörte derweil zur künstlerischen Avantgarde in Berlin. Der Kontakt ins Bundesgebiet wurde vorwiegend mit Briefen aufrechterhalten. Allein aus Zuneigung und als ein Geschenk an seine geliebte Frau versah er die Briefe mit Zeichnungen. Er ließ Text und Bild ineinander übergehen und aus der Verschmelzung ein einziges Kunstwerk entstehen. Beim Abfassen war ihm nie in den Sinn gekommen, dass seine Liebesbriefe einmal aus der intimen persönlichen Mitteilung heraustreten und den Weg in den Olymp der Hochkunst finden würden. Auch für Katja Ehrlicher ist es ein beklemmendes Gefühl, den an sie gerichteten Briefen in der öffentlichen Ausstellung wieder zu begegnen und gar im Buch gedruckt zu sehen. "Es sind nicht mehr meine Briefe. Als Kunstwerke gehören sie nun allen."
Der 1967 verstorbene Künstler Paran Gschrey ist indischer Abstammung. Im Alter von sechs Jahren kam er mit seiner Mutter nach Deutschland, wo sie 1933 in der Künstlerkolonie Wilmersdorf eine Wohnung bezogen. 1944 wurde er zum Militärdienst eingezogen. Bei der Kriegsmarine geriet er in englische Gefangenschaft. Nach dem Krieg studierte er Kunst und war unter anderem Meisterschüler von Karl Schmidt-Rottluff. Paran Gschrey gehörte zur Avantgarde der Berliner Kunstszene. Persönliche und künstlerische Krisen sowie die gesonderte Stellung durch seine indische Abstammung stürzten ihn häufig in Krisen. 1967 wählte er den Freitod.
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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