Dahlien ohne Pestizide
Die Slow-Flower-Farm Mayda baut Blumen nachhaltig an
Hinter der Kapelle auf dem Pankower Zionsfriedhof an der Dietzgenstraße 158 blühen hochgewachsene Dahlien in Rot- und Gelbtönen. Dort bestellen Imke und Reuben Glaser ihren Acker auf der Mayda Blumenfarm.
Sonnenblumen säumen den Zaun zum noch für Beisetzungen genutzten Teil des Friedhofs. Auf einigen Parzellen der Blumenfarm sieht es indes etwas krautig aus, andere liegen brach und sind mit Stroh bedeckt. Imke Glaser bleibt vor einer Wildblumenwiese stehen. „Das ist Gründünger“, erläutert sie, „und für unsere Bienen.“ Die beiden Blumenfarmer haben die Slow-Flower-Bewegung (Mehr Informationen: www.slowflower-bewegung.de) mitgegründet, die sich einem nachhaltigen, regionalen, pestizidfreien Schnittblumenanbau verschrieben hat. Gut 120 Farmerinnen und Farmer haben sich seit 2019 der Bewegung in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeschlossen. In Berlin gibt es bisher nur zwei solcher Betriebe.
Die Deutschen lieben Blumen. Aber nur wenige wissen, welches Gift sie sich dabei womöglich mit auf den Wohnzimmertisch stellen. Deutschland ist der zweitgrößte Importeur von Schnittblumen weltweit, und das mit einem Handelsvolumen von einer Milliarde Euro im Jahr 2020. Die meisten Blumen kommen aus den Niederlanden. Aber ein guter Teil stammt auch aus Lateinamerika und Afrika.
Gerade bei Blumen aus Entwicklungsländern sei der Einsatz von Pestiziden enorm, warnen Umweltverbände seit Jahrzehnten. Der Umweltverband BUND untersuchte im Jahr 2012 Rosen in Supermärkten und fand Rückstände von bis zu acht Pestiziden pro Rose, einige davon hoch krebserregend. Getan hat sich seitdem allerdings nichts. Blumen sind keine Lebensmittel. Die Inhaltsstoffe unterliegen keinen Kontrollen. In den Ländern selber sind die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Blumenplantagen den Giften oft schutzlos ausgeliefert. Das ist in den Niederlanden zwar anders, aber auch dort fand Greenpeace Gift in Schnittblumen, das vor allem für Bienen tödlich ist. Daher warnen die Verbände: Herkömmliche Sträuße sind so giftig, dass sie im Hausmüll entsorgt werden müssten.
Viel experimentieren
Auf der Mayda Blumenfarm bei Imke Glaser könnte man die Blumen hingegen bedenkenlos essen, zumindest die essbaren wie die bienenumschwirrten Ringelblumen. Wie der Betrieb funktioniert, erläuterte Glaser der designierten Pankower Bürgermeisterin Cordelia Koch und dem Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar (beide Bündnis 90/ Die Grünen). Das erste Jahr haben ihr Mann und sie den Boden aufgebessert, damit überhaupt verkaufsfähige Schnittblumen wachsen können, berichtet Glaser. Das, was wie Stroh auf einigen Flächen aussieht, ist der Rest von Winterwicken, Winterroggen und Ikarnat-Klee, die den Boden düngen. Darunter schlummern zweijährige Jungpflanzen.
Experimentieren müssen die beiden Farmer viel. Imke Glaser hat sich schon lange für Gartenbau interessiert und auch einige Seminare belegt, aber dabei wenig zu ökologisch angebauten Schnittblumen erfahren. Darum sieht sie sich als Autodidaktin. Als sie Gartenbauschulen besuchte wusste sie, dass sie anders Blumen anbauen wollte. Sie suchte zunächst nach einem Acker in Brandenburg, ehe sie zufällig vom Berliner Friedhofentwicklungsplan las und sich an den evangelischen Friedhofsverband wandte.
Weniger Bedarf an Friedhofsflächen
Solche Nutzungen von brach liegenden Friedhofsflächen sind der Idealfall, findet Cordelia Koch. Sie weiß: Viele Friedhöfe verwildern. Der Bedarf an Friedhofsflächen hat sich seit 1980 halbiert. Dazu trugen der Anstieg der Lebenserwartung sowie die Zunahme von Feuerbestattungen und Gemeinschaftsgräbern bei. Die Eigentümer der Friedhöfe können bei sinkenden Einnahmen die Pflege nicht mehr sicherstellen. Der 2006 vom Senat beschlossen Friedhofsentwicklungsplan hat zum Ziel, dass neue Nutzungen die ökologische Vernetzung von Grün- und Landschafträumen berücksichtigen.
Bisher mieteten die Glasers 1200 Quadratmeter auf dem Zionsfriedhof. „Das ist für uns momentan eine optimale Größe“, sagt die Blumenfarmerin. „Mehr kann man am Anfang fast nicht schaffen. Aber perspektivisch würden wir gern einen halben Hektar bewirtschaften, um mehr ausprobieren zu können.“ Der Verkauf der auf der Friedhofsfläche angebauten Blumen läuft übrigens gut an. „Wir setzen auf Direktvertrieb“, sagt Imke Glaser. Sie nimmt 15 bis 25 Euro für einen Strauß. Für einen prächtigen Strauß ein Schnäppchen, aber für die Großmärkte zu teuer, jedenfalls solange die Verbraucher den Wert ökologischer Schnittblumen nicht anerkennen. Jeden Donnerstag öffnen die Glasers außerdem ihre Farm für Selbstabholer. Nach Terminabsprache kann man sich seinen Strauß auch selber pflücken.
Weitere Informationen gibt es auf www.maydablumenfarm.de.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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