Erinnerung an Georges Guynemer: Französischer Jagdflieger fast vergessen
Tegel. Eine Neuerscheinung zum deutschen Weltkriegsflieger Manfred von Richthofen informiert nebenbei über den Namensgeber der Cité Guynemer, ein französisches Fliegerass des Ersten Weltkriegs.
Unsicher ist die Zukunft, und auch über die Vergangenheit ist nicht alles bekannt. Als Reinickendorf noch zum französischen Sektor Berlins gehörte, war auch die Cité Guynemer ein selbstverständlicher Teil des Berliner Nordbezirks. Die französische Schutzmacht hatte zwischen Seidelstraße und Flughafensee, dicht am Flughafen Tegel, mehr als 200 Wohnungen für französische Soldaten errichtet. Namensgeber der kleinen Siedlung war Georges Guynemer, ein französischer Jagdflieger des Ersten Weltkriegs, von dem außer seinen Lebensdaten nicht allzu viel bekannt ist.
Die Ungewissheit teilt der Flieger mit der nach ihm benannten Siedlung. Wer hier wohnt, hat recht oft prominenten Kurzbesuch. Wann immer ein Mitglied der Bundesregierung deren Flugbereitschaft nutzt, gelangt es durch die Cité Guynemer zum Flieger oder von dort zurück. Ob damit 2018 Schluss ist oder nicht, ist noch so ungewiss wie die Zukunft der Siedlung.
Erst ausgemustert, später als Held gefeiert
Von Georges Guynemer ist bekannt, dass er am Heiligen Abend des Jahres 1894 in einer wohlhabenden Familie aus Compiègne zur Welt kam. Er war offenbar ein kränkliches Kind, und wurde auch als Jugendlicher zunächst vom Militärdienst zurückgestellt. 1914 ereilte ihn dann doch der Ruf zu den Waffen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Guynemer Mechaniker bei den französischen Luftstreitkräften.
Ein Jahr später war der ehrgeizige junge Mann Pilot. Er flog englische und französische Jagdflugzeuge, wurde 1917 Geschwaderkommandant. Im Juli 1917 erreichte er als erster Franzose den „Rekord“ von 50 Abschüssen. Bald darauf traf es ihn selbst. Am 11. September 1917 wurde er bei einem Einsatz in Westflandern getötet. Er soll sich von seinen Flügelmännern getrennt und ein deutsches Beobachtungsflugzeug angegriffen haben. Nach deutschen Berichten wurde er von dem deutschen Leutnant Kurt Wissemann abgeschossen. Was mit seinem Leichnam geschah, wurde nie eindeutig geklärt. In Frankreich sorgte der Tod des zuvor von der Presse gefeierten Kampfpiloten für Bestürzung. Schulkindern soll erzählt worden sein, dass Guynemer „so hoch in den Himmel“ geflogen sei, dass er nicht mehr zurückkehren konnte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde im belgischen Langemark-Poelkapelle eine Säule zu seinen Ehren errichtet, von deren Spitze ein Storch in Richtung der deutschen Linie „fliegt“.
Junge Flieger: rastlos und perfektionistisch
In der jetzt als Taschenbuchausgabe erschienenen Biographie des deutschen Jagdfliegers Manfred von Richthofen setzt sich der Autor Joachim Castan auch mit Guynemer auseinander. Castan hinterfragt den Mythos des „Roten Barons“, als der Richthofen noch heute sowohl in Deutschland wie in England und den USA ein Begriff ist. Dabei setzt er sich auch mit den Strategien auseinander, die die jungen Flieger einsetzten, mit der täglichen Todesgefahr umzugehen. Richthofen war vor seinem Abschuss am 21. April 1918 rastlos unterwegs. Guynemer befasste sich offenbar ununterbrochen mit der Verbesserung seiner Maschinen, gewissermaßen auf der Suche nach dem „magischen Flugzeug“. Jede Änderung testete er in Paris, trieb die Konstrukteure zu Höchstleistungen an.
Castans Verdienst ist es dabei, mit seiner Recherche die Heldenmythen zu dekonstruieren, ohne die Personen zu diffamieren. Wie schwer dies ist, zeigt der Fall Guynemer: Die Fakten, die Castan schildert, entnimmt er einem Buch über die Psychologie der Jagdflieger aus dem Jahr 1940. CS
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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