Darum ist Union Berlin so stark
Es war das Überraschungjahr von Union Berlin. Wenige hatten den Köpenickern den Verbleib in der Fußball-Bundesliga zugetraut, und danach erst recht nicht eine solch furiose Hinrunde. Keine Frage, Max Kruse polarisiert. Ob nun nächtliche Zockereien, nicht ganz pandemie-konforme Treffen mit Fans in einer Shisha-Bar oder verbales Nachtreten gegen die Polizei wegen einer Geschwindigkeitskontrolle: Der Exzentriker aus dem Norden liefert zuverlässig Schlagzeilen. Doch zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass Kruse bis zu seiner Verletzung im Derby ebenso zuverlässig auf dem Platz geliefert hat. Elf Torbeteiligungen in zehn Spielen lassen kaum noch Wünsche offen. Union hat Kruse geholt, weil das Team einen Unterschiedsspieler brauchte – und genau den haben die Eisernen bekommen.
Der 32-Jährige bringt Talente mit, die in Köpenick zuvor eher rar gesät waren. Er ist ein Freigeist auf dem Feld, eine Mischung aus spielstarkem Stürmer und torgefährlichem Mittelfeldspieler, gesegnet mit Intuition, Individualität und Improvisationsvermögen. Sein Selbstvertrauen und seine Unbekümmertheit scheinen auf die Kollegen abzufärben. "Max ist ein extremer Teamplayer, er ist extrem wichtig für die Mannschaft. Es macht viel Spaß, mit ihm zu spielen", schwärmt Mitspieler Cedric Teuchert. So hielt eine Spielkultur Einzug, die nach dem Hauruck-Fußball der Vorsaison kaum vorstellbar.
In den chronisch aufgeregten Profizirkus scheint Urs Fischer zuweilen so gar nicht zu passen. Mit Ruhe und Beharrlichkeit, Realismus und Unaufgeregtheit sorgt der Schweizer für eine Erdung, die so manchem Verein guttun würde. Vor allem aber ist es Fischers Pragmatismus, von dem Union profitiert. Statt nervenden Gejammers über die Ausfälle von Leistungsträgern wie Max Kruse, Robert Andrich oder Christian Gentner bastelt Fischer aus den verfügbaren Spielern immer wieder eine konkurrenzfähige Truppe zusammen und schickt sie mit einer funktionierenden Taktik auf den Rasen, die Borussia Dortmund das Weihnachtsfest versaut und sogar den Triple-Sieger aus München an den Rand einer Niederlage bringt.
Die Verpflichtung von Max Kruse war vielleicht die wichtigste, aber nicht die einzige gute Entscheidung im Transfer-Sommer, so das Expertenportal Wetttippsheute. Keeper Andreas Luthe, ablösefrei aus Augsburg gekommen, hat seinen beliebten Vorgänger Rafal Gikiewicz schnell vergessen machen können und besticht als unaufgeregter Schlussmann. Robin Knoche wiederum kam aus Wolfsburg und gibt der Union-Abwehr mit seiner Erfahrung aus fast 200 Bundesligaspielen einen gewissen Halt. Durch den vom FC Liverpool ausgeliehenen Stürmer Taiwo Awoniyi bekommt das Spiel der Eisernen durch seine Geschwindigkeit eine bislang ungekannte Tiefe, während der mittlerweile verletzte Joel Pohjanpalo seinen Ruf als Joker auch in Berlin bestätigen konnte.
Dass die Eisernen Fans zu den leidenschaftlichsten des deutschen Profifußballs gehören, ist längst kein Geheimnis mehr. Im Pandemiejahr 2020 mit dem Klassenerhalt und einer spektakulären Hinrunde in der Bundesliga war das Fanverbot sicherlich besonders schmerzvoll in Köpenick. Und doch wussten die Union-Fans, zu begeistern. Als sie nicht ins Stadion An der Alten Försterei durften, sangen sie einfach vor dem Stadion so laut, dass die Spieler auf dem Rasen es laut und deutlich hören konnten. Als sie in geringer Anzahl dann wieder reindurften, sorgten 4.500 Fans für eine ähnliche Gänsehaut-Atmosphäre wie sonst 22.000. Nach der 1:3-Derby-Niederlage gegen Hertha BSC Anfang Dezember wurde der Mannschaftsbus von einer Abordnung ihrer Fans empfangen und aufgemuntert.
Autor:Monika Timmers aus Altglienicke |
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