Ärgern? Keine Chance!
Grundschüler üben sich im Verhaltenstraining

Stopp, hör auf! Björn Rudolph zeigt Erstklässlerin Sham, wie man sich aus einem Griff befreit und trotzdem cool bleibt.   | Foto: Ulrike Kiefert
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Konflikte lösen mit Beleidigungen, Mobbing oder gar Gewalt: Das passiert immer häufiger an Schulen. Der Verein „!Respect“ setzt mit einem spielerischen Verhaltenstraining dagegen. Wie das ganz praktisch funktioniert, zeigten Schüler der Grundschule im Beerwinkel.

Die Übungsstunde beginnt im Schneidersitz mit einem munteren „Guten Morgen“. Björn Rudolph hat sofort einen guten Draht zur „Giraffenklasse“.  „Wisst ihr, was ein Konflikt ist“, fragt er in den Kreis. „Nein“, kommt es zurück. Aber was ein Streit ist, das wissen die Kids. „Wenn einer den anderen schubst oder ihm was wegnimmt“, sagt ein Mädchen. „Oder jemand gemeine Sachen sagt“, ergänzt ein Junge. Björn Rudolph nickt. „Jeder streitet sich mal“, erklärt er den Kids. „Ich bin heute hier, um euch zu zeigen, wie man sich gut streitet.“ Damit der Ärger nicht größer wird und Freunde sich entzweien. Das will keiner, oder? Beherztes Kopfschütteln. Ein paar Hinweise noch vom Coach, dann sind alle aufgefordert mitzumachen.

Wie lief das konkret ab? Ganz einfach: Der Konflikttrainer übte mit den Erstklässlern und Zweitklässlern der Grundschule im Beerwinkel auf spielerische Art und Weise den respektvollen Umgang miteinander und zeigte ihnen, wie man Konflikte friedlich löst. Dafür wurde auch der Ernstfall geübt. Ein Kind übernahm die Rolle des „Stänkerers“ und die anderen trainierten den richtigen Umgang mit dieser Situation. „Selbstsicheres Auftreten und angstfreies aufeinander zugehen sind wichtig“, sagt Björn Rudolph. Deshalb lernten die Kinder auch, wie man mit der Stimme und Körpersprache deutlich macht, dass man etwas nicht will. Oder wie man freundlich sagt, was einen stört. Aber auch wie man sich fühlt, wenn man ausgegrenzt oder beleidigt wird.

Die Hälfte der Kinder erfährt Gewalt

Körperliche Gewalt kommt an Grundschulen glücklicherweise kaum vor, auch an der Grundschule im Beerwinkel nicht. Hauen, Hänseleien, Haareziehen sind dagegen keine Seltenheit. Wissenschaftliche Studien belegen, dass mehr als die Hälfte aller Schulkinder im Alter zwischen sechs und 16 Jahren Gewalterfahrungen wie Beleidigungen oder gar Schlagen hinnehmen müssen. „Und auch die Lehrerverbände bemängeln den respektlosen Umgang und klagen über eine zunehmend aggressive Ausdrucksweise ihrer Schüler“, weiß man beim Verein „!Respect“. An dieser Stelle will der Verein mit einem Verhaltenstraining ansetzen. „Denn Lernen sollte Spaß machen“, sagt Björn Rudolph, Konflicktcoach bei „!Respect“.

Mit dem spielerischen Verhaltenstraining im Rahmen seines Präventionsprojekt „!SocialSkills“ geht der gemeinnützige Verein an viele Berliner Schulen. In Spandau gab es das schon an der Zeppelin-Grundschule und der Siegerland-Grundschule. An der Grundschule im Beerwinkel findet das Verhaltenstraining mit Björn Rudolph seit dem Ende der Sommerferien für insgesamt 16 Klassen von der 1. bis 4. Jahrgangsstufe statt und zwar für jede Klasse drei Mal eine Doppelstunde, gestreckt über drei Monate. Neben den Schülern werden auch die Schulleitung, die Lehrer und Eltern in die Schulung einbezogen, damit sie bei Mobbing oder Gewalt präventiv und intervenierend eingreifen können. Schulleiter Sven Olsok-Becker hält viel von dem Projekt. „Die Kinder lernen, dass reden hilft, um Konflikte zu lösen.“ Und es fördere das Miteinander, besonders für jene Schüler, die nicht gut Deutsch sprechen und deshalb Streitigkeiten eher non-verbal lösen. Das Verhaltenstraining würde der Schulleiter auch im nächsten Schuljahr gern fortsetzen. Denn auch die Lehrer profitieren davon. Das Klassenklima verbessert sich, es gibt weniger Störer im Unterricht, und die Schüler sind lernbereiter.

Regelmäßiger Austausch
von Kitas und Schulen

Der Kontakt zur Grundschule im Beerwinkel entstand über das „Bildungsforum Falkenhagener Feld“, ein Bildungsnetzwerk mit praktischer Ausrichtung, das sich im Ortsteil seit 2016 für ein friedliches Miteinander einsetzt. So treffen sich in der AG „Soziales Lernen in Bewegung am Übergang von der Kita zur Grundschule“ regelmäßig Schulen, Kitas und Co. und tauschen ihre Erfahrungen aus.

Für die „Giraffenklasse“ nähert sich die Übungsstunde derweil dem Ende. Coach Rudolph ist zufrieden, alle haben super mitgemacht. Das nächste Mal wird er die Übungen auffrischen, so bleiben sie im Kopf. Denn der Coach weiß, viele Kinder lernen zu Hause nicht, wie man gewaltfrei Konflikte löst. „Man sagt ihnen, wehre dich, wenn dich jemand ärgert, aber nicht wie.“

Stopp, hör auf! Björn Rudolph zeigt Erstklässlerin Sham, wie man sich aus einem Griff befreit und trotzdem cool bleibt.   | Foto: Ulrike Kiefert
Wie man sich in einer Konfliksituation selbstbewusst behauptet, üben Constantin und Lena.  | Foto: Ulrike Kiefert
Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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