Hans-Joachim Jatz war Postzusteller im "Feld"
Am Telefon ist Hans-Joachim Jatz noch skeptisch. "Was soll ich Ihnen erzählen", fragt er. "Aber gut, wenn Sie unbedingt wollen." Einige Tage später sitzt er in der "Buschhütte". In der Kiezkneipe am Wittgensteiner Weg ist er Stammgast. Spielt Skat mit Freunden. 73 Jahre ist er alt und schon längst in Rente. Aber an seine Zeit als Postzusteller im "Feld" erinnert er sich noch, als wäre er gestern die letzte Tour gelaufen. 30 Jahre lang, tagein, tagaus, bei jedem Wetter. "Das vergisst man nicht so schnell", sagt Jatz.
1955 hat er bei der Deutschen Post begonnen. Erst als Postjungbote, dann als Postschaffner und später als Postbetriebsassistent. So hieß das damals. Rund 800 Haushalte zwischen Zeppelinstraße und Frankenwaldstraße gehörten zu seiner Runde. Ab Ende der 1960er-Jahre trug er die Post zehn Jahre lang auch in der Westerwaldstraße aus. Hauptsächlich Geld hatte Jatz im Gepäck. Im Schnitt so um die 20 000 Mark pro Tour. "Die Pensionen, Renten und das Kindergeld brachte damals noch der Postbote", erzählt er. Vor allem das Kindergeld trug er im kinderreichen Feld aus. In der Westerwaldstraße hatte er damals aber nur zwei Großfamilien als Kunden. "In den Hochhäusern dort waren die Wohnungen kleiner", berichtet Jatz. Da zogen vor allem Rentner ein. "Die wollten reden und haben mich immer sehnsüchtig erwartet." Hin und wieder gabs neben freundlichen Worten auch ein Schnäpschen. "Aber betrunken nein, das war ich nie", sagt Jatz. "Zweimal Treppensteigen und der Alkohol war wieder ausgeschwitzt."
Doch der Postzusteller brachte nicht nur Geld, wenn er klingelte, sondern auch Zahlungsanweisungen, Gerichtsbescheide und Nachnahmen. Bei der Pfarrersfrau, die damals im Pfarrhaus an der Westerwaldstraße wohnte, kassierte er mal Nachgebühren. "Die Frau war früher Raubtierdompteurin und hatte einen riesigen Hund. Olaf hieß der." Den Postboten stemmte Olaf zur Begrüßung gern gegen die Wand.
Und an noch jemanden erinnert sich Jatz sehr genau. An Holger Bernhard Bruno Mischwitzky. "Sie wissen, wer das ist", fragt er und schmunzelt. Rosa von Praunheim, der berühmte Filmregisseur. "Ja wirklich, der wohnte in den 70er-Jahren in der Westerwaldstraße 22. Gleich neben der Kiezwaschküche in einer WG." Jatz brachte ihm damals 50 Mark von seiner Tante. Recht verschlafen habe ihm von Praunheim die Tür geöffnet, und der Postbote ließ sich wegen des Pseudonyms vorsichtshalber den Ausweis zeigen. Ach ja, das waren noch Zeiten. Trotz ihres Promifaktors sei die Westerwaldstraße aber eher eine ruhige Wohngegend gewesen, erzählt Jatz. Erst abends ging vor dem Klubhaus so richtig die Post ab. Aber da war der Postzusteller schon wieder fort. Mit leerem Gepäck, aber vielen schönen Erinnerungen.
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Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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