Reporter Thomas Frey: Erinnerungen an meine Zeit beim Spandauer Volksblatt
Der ältere Herr war über den Zuwachs zunächst nicht besonders begeistert. Bisher hatte er hier ziemlich selbständig agiert. Und jetzt dieser junge Kollege. Da war aus seiner Sicht erst mal Vorsicht geboten.
So verlief mein Arbeitsbeginn beim Spandauer Volksblatt und das erste Zusammentreffen mit Walther Rimpler im Sommer 1994. Das Volksblatt war kurz zuvor von einer zuletzt wöchentlichen Kaufzeitung in eine Anzeigenzeitung umgewandelt und Teil des Berliner Wochenblatt Verlages geworden. Dort seit einigen Monaten tätig, wurde ich gefragt, ob ich nicht nach Spandau wechseln möchte. "Du wohnst doch in diesem Bezirk."
So landete ich unter den Fittichen von Walther Rimpler. Und, um es gleich aufzulösen, bei unserem eher distanzierten Verhältnis blieb es nicht lange. Der Mann, der zuvor den Spandauer Anzeiger gemacht hatte und zur Not auch eine Ausgabe ganz allein bestücken konnte, wurde für mich schnell nicht nur ein respektierter Reviervorsteher, sondern auch ein Vertrauter und am Ende ein Freund. Und er war beruflich einer der wichtigsten Lehrmeister.
Von ihm lernte ich die Vielfalt des Lokaljournalismus’ unter den besonderen Spandauer Vorzeichen. Zu Beginn hieß das vor allem Anschreiben gegen die Befürchtungen im Havelbezirk, "ihr" Volksblatt sei jetzt gestorben. Da half nur, jede Woche einen möglichst umfassenden Überblick zu liefern, was alles passiert ist, wichtig war oder wichtig erschien. Service und Veranstaltungen, Geschichten, Exklusivinformationen, Politik ebenso wie Kultur und Sport oder manches Skurriles. Motto: "Wo mehr als ein Dutzend Menschen in Spandau zusammen sind, ist das Volksblatt unter ihnen." Sehr bald wurde das auch goutiert.
Und es gab eine Menge zu berichten. Manche Bauprojekte, über die damals die ersten Pläne vorlagen, sind heute längst verwirklicht, wie der Bahnhof oder die Arcaden. Andere sind nie verwirklicht worden – etwa die Idee eines Transrapid mit Halt in Spandau. Es ging um die Zukunft der Zitadelle, die Wasserstadt, Geschäftesterben in der Altstadt oder – bis heute wiederkehrende Klassiker – die seit 1980 stillgelegte S-Bahn durch Siemensstadt.
Auch viele Menschen kommen einem in Erinnerung. Einige sind bis heute aktiv, andere längst nicht mehr im Amt, manche inzwischen verstorben. 1995, vor der damaligen Berlin-Wahl, organisierte das Volksblatt eine Diskussion mit den beiden Bürgermeisterkandidaten, dem damals amtierenden Rathauschef Sigurd Hauff (SPD) und seinem Herausforderer Konrad Birkholz (CDU). Motto: "Rotwein gegen Schwarzbier". Konrad Birkholz war danach 16 Jahre Bürgermeister.
In die Rubrik Kuriositäten fällt eine andere Episode. In Spandau gab es eine, zumindest kleine Buchmesse. In Kooperation mit dem damaligen Hertie-Kaufhaus veranstaltete das Volksblatt ein Preisausschreiben, bei dem natürlich Bücher verlost wurden. Als Glücksfee wurde dafür, aus welchem Grund weiß ich heute nicht mehr, Hillu Schröder engagiert, damals seit Kurzem Ex-Ehefrau des späteren Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Sie kam und zog den Hauptgewinn. Und der ging an – Gerhard Schröder. Allerdings mit Wohnsitz in Spandau. Mit dieser Geschichte schafften wir es sogar in die Tagesthemen.
Rausgehen, um zu erfahren, wie Spandau tickt, war schon damals die Devise. Nicht nur zu festen Terminen, sondern einfach einmal durch die Wilhelmstadt, Kladow oder Hakenfelde spazieren, um Besonderes zu entdecken. Erst recht galt das für die Altstadt, einschließlich Stop im Ratskeller. Walther Rimpler kam bei solchen Touren seine Bekanntheit zugute: "Gut, dass ich Sie treffe. Wissen Sie schon, ...?"
Es waren die Jahre, in denen das Volksblatt neu justiert wurde und ein Fundament bekam, das bis heute trägt. Und das gleichzeitig auf seinem Namen und seinem Nimbus aus der Vergangenheit aufbaute. Personifiziert wurde beides von Ingrid Below-Lezinsky, die bis zu ihrem Tod im Jahr 2005 Herausgeberin der Zeitung war.
Um Tradition und Gegenwart ging es schon 1996 beim 50. Geburtstag des Spandauer Volksblattes. Auch dieses Jubiläum wurde mit einer Sonderausgabe sowie einer Ausstellung im Rathaus gefeiert.
Es waren spannende und prägende Jahre, die mich bis heute nicht losgelassen haben. Sie sind auch für die noch immer anhaltenden journalistischen Ausflüge nach Spandau verantwortlich.
"Ich glaube, wir haben das wieder ganz gut hingekriegt", war oft das Fazit von Walther Rimpler, wenn eine Ausgabe fertig war. Er starb 2008. An seinem Sarg lagen zwei Kränze. Einer vom Spandauer Volksblatt, einer vom Bezirk Spandau. tf
Alle Beiträge zum Thema "70 Jahre Spandauer Volksblatt" finden Sie hier.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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