Landgericht Berlin hält Vorschrift über Mietpreisbremse für verfassungswidrig

Die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin (Aktenzeichen 67 O 149/17, Beschluss vom 14. September 2017 und Urteil vom 19. September 2017) hält die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch über die sog. Mietpreisbremse (§ 556d BGB) für verfassungswidrig.

In einem Hinweisbeschluss vom 14. September 2017 hat das Landgericht ausführlich seine Rechtsansicht begründet und zunächst mitgeteilt, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob die genannte Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Dazu kam es allerdings nicht. In der am 19.09.2017 stattgefundenen Verhandlung habe sich herausgestellt, dass es aufgrund weiteren Vortrags der Parteien in diesem Fall auf die Frage der Verfassungswidrigkeit nicht mehr ankomme, so dass das Gericht selbst entscheiden könne. Die Berufung der Mieterin wurde zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass die Vorschrift nach seiner Auffassung verfassungswidrig sei.

Es handelt sich um die Klage einer Mieterin, die von der Vermieterin u.a. begehrte, 1.241,11 € überhöhte Miete zurückzuerhalten. Die Parteien hatten am 24. August 2015 einen Mietvertrag über eine in Berlin-Wedding gelegene 1-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 39 m² geschlossen. Als Mietzins war ein Betrag von 351,00 € netto kalt monatlich vereinbart worden. Die Vormieterin hatte zuvor 215,00 € netto kalt an die Vermieterin gezahlt.

Die Klägerin rügte u.a. mit Schreiben vom 24. Februar 2016, dass die Miethöhe ihrer Ansicht nach überhöht sei. Mit ihrer Klage beanspruchte die Klägerin, nachdem das Mietverhältnis zwischen den Parteien zum 30. September 2016 beendet war, die Rückzahlung überhöhten Mietzinses für die Zeit von September 2015 bis Februar 2016 in Höhe von 136,00 € monatlich sowie für die Monate März bis September 2016 in Höhe von 60,73 € monatlich.

Nachdem die Vermieterin für die Zeit ab März 2016 anerkannt hatte, dass die zulässige Miete monatlich nur 275,73 € betragen solle, sprach das Amtsgericht Wedding der Klägerin einen Rückzahlungsbetrag von 297,57 € (42,51 € monatlich für die Zeit von März bis September 2016) zu, da die ortsüblich zulässige Miete monatlich 233,22 € betragen habe. Das Amtsgericht wies die Klage wegen des restlichen Betrages von 943,54 € ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

Das Landgericht wies die Parteien zunächst in einem Hinweisbeschluss vom 14. September 2017 darauf hin, dass es die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 556d BGB) für verfassungswidrig halte. Es liege eine ungleiche Behandlung von Vermietern vor. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber Differenzierungen vornehme, müssten diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien. Dies habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556d BGB nicht beachtet und in verfassungswidriger Weise in das Recht der Mietvertragsparteien, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen. § 556d BGB in Verbindung mit der von dem Land Berlin erlassenen Rechtsverordnung begrenze die zulässige Neuvermietung auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Da bundesweit der Wohnungsmietmarkt preislich seit langem starke Unterschiede aufweise, belaufe sich die ortsübliche Vergleichsmiete zum Beispiel in München auf 11,28 € pro Quadratmeter in 2013 und 12,28 € pro Quadratmeter in 2016, während sie in Berlin nur bei 6,49 € bzw. 7,14 € (Berlin-West) pro Quadratmeter gelegen habe. Der Unterschied betrage mithin jeweils über 70 %.

Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich treffe. Weder der Gesetzeszweck noch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile noch sonstige Sachgründe rechtfertigten dies. Insbesondere seien im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern nicht erhoben worden. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener, die vom Gesetz geschützt werden sollten, in höherpreisigen Mietmärkten wie München erheblich besser gestellt seien als die gleichen Zielgruppen in Berlin.

Darüber hinaus liege auch deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt würden. Denn diese Vermieter dürften bei einer Neuvermietung die „alte“ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen. Ein Bestandsschutz für diese „alte“ Miete könne jedoch bei einer Neuvermietung nicht angenommen werden. Zudem sei die Ungleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg unvereinbar. Denn diejenigen Vermieter, die in der Vergangenheit eine maßvolle Miete verlangt hätten, würden erheblich benachteiligt gegenüber denjenigen Vermietern, die schon in der Vergangenheit die am Markt erzielbare Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen hätten, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp werde.

Letztlich hat jedoch das Landgericht Berlin aufgrund weiteren Vortrags der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2017 den Rechtsstreit nicht mehr aussetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen müssen (nur das Bundesverfassungsgericht darf eine Rechtsnorm für verfassungswidrig erklären, nicht jedoch die Instanzgerichte selbst). Denn es habe sich herausgestellt, dass das Merkmal „Sammelheizung“ für die Wohnung vorliege, so dass der von dem Amtsgericht Wedding für noch zulässig erkannte Mietwert von 233,22 € monatlich netto kalt richtig berechnet sei. Damit stehe der Mieterin kein weiterer Rückzahlungsanspruch zu, und zwar auch nicht für die Monate vor März 2016. Denn für die davor liegende Zeit fehle es an einer nach dem Gesetz erforderlichen ausreichenden schriftlichen Rüge gegenüber der Vermieterin, aus welchen Gründen die vereinbarte Miete überhöht sei.

Daher ist die Berufung der Klägerin durch Urteil zurückgewiesen worden.

Kommentar des AMV

„Die gesetzlichen Vorschriften über die Mietpreisbremse (§§ 556d - 556g BGB) sind nach wie vor rechtswirksam", sagte der 2. Vorsitzende des AMV - Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V., Assessor Marcel Eupen. „Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) i.V.m. § 13 Nr. 11 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG) entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht über die Vereinbarkeit eines Bundesgesetzes mit dem Grundgesetz. Eine derartige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegt bisher nicht vor. Es ist noch nicht einmal ein Verfahren zur Mietpreisbremse beim Bundesverfassungsgericht anhängig", so Eupen. „Die Einschätzung des Landgerichts Berlin in seinem Hinweisbeschluss vom 14.09.2017 sowie in seinem Urteil vom 19.09.2017 zur vermeintlichen Verfassungswidrigkeit der Mietpreisbremse haben keinerlei rechtliche Auswirkungen. Es handelt sich lediglich um die bloße Mitteilung der Rechtsansicht der 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin. Juristisch bleibt alles beim Status quo", schließt Eupen.

Autor:

Marcel Eupen aus Falkenhagener Feld

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 765× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 782× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 473× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 11.12.24
  • 924× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.855× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.