Evelin Steinhöfel
„Signora Picasso“ malte „mein“ Buchholz

Evelin Steinhöfel (E.S.), Wochenendhaus in Französisch Buchholz, 4.6.2001 | Foto: Anne Schäfer-Junker
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  • Evelin Steinhöfel (E.S.), Wochenendhaus in Französisch Buchholz, 4.6.2001
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Manchen intimeren Ort in Französisch Buchholz gibt es nur noch auf gemalten oder gezeichneten Bildern. Jetzt ist eine großartige Künstlerin gestorben, die hier voll Freude das schöne Buchholz mit seinen Hütten und Häusern und die Gärten und Natur vorwiegend in Pastell und Gouache gezeichnet hat. Unbemerkt von der Öffentlichkeit. So malte und zeichnete sie auch mein damaliges Wochenendhaus, versteckt hinter Holunderbüschen und Trauerweiden.

Sie kam aus Mecklenburg-Vorpommern, wo sie 1939, also tief im Zweiten Weltkrieg, in Parchim geboren wurde. Diese Kindheit hat ihr ganzes Leben beeinflusst, immer auf der Suche nach freundlichen Begegnungen mit Menschen. Ihre große künstlerische stärke waren Stadtlandschaften, denen sie in unterschiedlichen traditionellen künstlerischen Techniken einen starken Ausdruck verlieh.

1964 studierte sie an der Fachschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin und wirkte dann als „Gebrauchswerberin“ – wie dieser Beruf in der DDR hieß. Großformatige und kleine Entwürfe gehören zu ihrer künstlerischen Arbeit. Sie liebte Alltagsbeobachtungen, besonders in der Stadtnatur, und widmete einem Motiv oder einer Landschaft oft viel Zeit. 1970–1984 war sie in der Werbebranche tätig, Danach hat sie, um mehr Zeit für die Malerei zu haben, abends im Schauspielhaus* als Schließerin in Teilzeit gearbeitet und nur noch freischaffend für Werbung, damit das Geld reichte. Im Schauspielhaus hat sie gute symphonische Musik, die sie immer wieder hören konnte, sehr genossen, trotz der eigentlichen Arbeit. 1990 zog sie dann nach Celle.

Alle ihre Werke signalisieren das Gefühl für ein höchstes Maß an Schönheit. Ihre Lebensfreude vor dem Hintergrund eines konfliktreichen Lebens hat sie gelehrt, Schönheit zu sehen, zu verinnerlichen und in ihren Werken zu bewahren, und mit künstlerischer Ausdruckskraft zu gestalten. Ihre für sie harten beruflichen Abhängigkeiten für ein erträgliches Maß zur Schaffung des eigenen Lebensunterhaltes schienen nachgerade ihre künstlerische Ausdruckskraft zu potenzieren.

Sie war oft zu Gast bei mir auf der Fischerinsel in Mitte und in Französisch Buchholz, nachdem sie 2000 auf die Fischerinsel gezogen war, aus Celle kommend. Dort war sie Mitglied im Verband Bildender Künstler. In Berlin kannte sie aus ihrer Studienzeit an der Fachschule für bildende und angewandte Kunst einen kleinen Kreis von Künstlerinnen, die ihr hier wichtig waren und die sie schätzten. Auf der Fischerinsel malte und zeichnete sie aus ihrer 14. Etage heraus die schönen weiten Blicke entlang der Spree, zum Nicolai-Viertel, zur Spree-Schleuse am Mühlendamm und zum Roten Rathaus. 2003 zeigte ich in meiner Galerie Aujourd’hui in einer vierteiligen Reihe KÜNSTLERINNEN SEHEN FARBE mit den Bildern von Evelin den 4. Teil, die FARBE GELB: Landschaften in Gouache und Pastell. Damals hatte sie unter dem Pseudonym Evelin Stein-Herr ausgestellt. Sie war eine fleißige Künstlerin, die sich dafür begeisterte, ein und dasselbe Motiv in zig zeichnerischen - und Farb-Varianten zu gestalten. Besonders waren es Linolschnitte, die sie für zahlreiche Druckabzüge mit verschiedenen Farben bei jedem Detail variierte.

2004 glaubte sie in Italien die große Liebe zu einem deutschen Akademiker entdeckt zu haben und zog – wie es ihre Art war – nach wenigen Monaten nach Italien, an die ligurische Küste. Dort blieb sie, wieder mit harten Entbehrungen. Eine kleine Wohnung nahm sie in Kauf, da sie direkt am Mittelmeer lag und hier ihre Inspiration und Malfreude vollkommen waren. Die Menschen in Imperia waren freundlich zu ihr und nannten sie respektvoll und liebevoll „Signora Picasso“. Sie malte wie besessen nur noch Aquarelle und Pastelle auf farbigem Grund. Vor allem entstanden Stadt- und Strandszenen, Stilleben, Landschaften und hellblau strahlende charakteristische Ortsmittelpunkte, wie Türme und Kirchen. 2020 schrieb sie mir einmal „Ich bin hier glücklich geworden in einer neuen Heimat und in der grünen Dauerumarmung der glitzernden Olivenbäume. Empfunden als eine späte Wiedergutmachung meines verfehlten Lebens in Deutschland.“

Seit 2005 zeigte sie dann jährlich Einzelausstellungen in Ligurien und Deutschland. Italien - was für ein Land zum Malen! So hatte sie auch 2005 in Diano Marina – ihrem Wohnort - ihre erste Ausstellung. 2007 bis 2010 stellte sie jährlich in Cervo aus. 2012 folgte eine große Ausstellung in Imperia an der ligurischen Küste.

Nachdem sie vor zwei Jahren noch einmal in Imperia ihre Wohnung wechseln musste, verlor sie 83jährig viel Kraft und aus der jährlichen Reise zu ihrem Sohn nach München wurde ein Daueraufenthalt - ihre letzte Reise. Im Park einer REHA-Klinik malte sie ihre letzten Bilder. In München genoss sie noch ein paar stille Monate mit ihrem Sohn, bevor sie am 30. Dezember 2023 friedlich einschlief. Voller Liebe zu seiner Mutter wird Peter St. ihr im nächsten Jahr, vielleicht mit dem Celler Kunstverein, eine Gedenkausstellung widmen.

In Französisch Buchholz werde ich zum Gedenken an Evelin Steinhöfel eines ihrer Werke in die kleine Orts-Chronik Ausstellung aufnehmen.

Anne Schäfer-Junker (anne.junker@gmx.de )

*Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte = heute Konzerthaus Berlin

Autor:

Anne Schäfer-Junker aus Französisch Buchholz

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