Kältehilfe: Adventszeit in der City Station

Sicher vor der Kälte: Yolanda und ihr Begleiter sind glücklich, wenn sie dem groben Gedränge in den anderen Notunterkünften entrinnen. | Foto: Schubert
  • Sicher vor der Kälte: Yolanda und ihr Begleiter sind glücklich, wenn sie dem groben Gedränge in den anderen Notunterkünften entrinnen.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Halensee. Sie ist die Mutter der Obdachlosen-Einrichtungen - und oftmals selbst in großer Not: Die City Station der Berliner Stadtmission kämpft mit knappem Budget und deutlich steigenden Gästezahlen, plant einen Festschmaus zu Heiligabend. Wer wird ihr dann helfen?

Wenn die Thermometer Minuszeichen zeigen, wenn der Atem wölkchenweise verschwindet im Dunkel des Dezembers, dann weiß Sylvia Richter, was die Stunde geschlagen hat. Dann leistet ihre City Station wieder einmal mehr, als sie auf dem Papier können sollte. Dann reicht das Team noch mehr Suppen über den Tresen, die Schlange vor der heißen Dusche wird noch länger. Und der fliegende Wechsel kurz vor 21 Uhr muss noch schneller gelingen.

In dem Moment wird das soziale Restaurant zur Herberge für alle, die sonst draußen schlafen müssten. Nachtcafé heißt dieser Service mit 20 Plätzen - in der Praxis sind es 30. "Wir versuchen, niemanden abzuweisen", sagt die Leiterin. Aber wenn der Andrang weiter wächst - wie soll das gehen?

Die City Station ist der Ort, wo ab 1975 die inzwischen weitaus bekannteren Angebote der Berliner Stadtmission ihren Ursprung nahmen. Hier startete der Kältebus. Hier sammelte man Erfahrungen in Sachen Obdachlosenhilfe, als die Bahnhofsmission am Zoologischen Garten noch Zukunftsmusik war.

"Die City Station gibt den Gästen das Gefühl, nicht nur Bittsteller zu sein", erklärt Richter das Konzept, von den Besuchern Centbeträge zu verlangen. Das Bezirksamt finanziert seit Jahren immerhin einen kleinen personellen Stamm. Den Rest leisten 60 bis 70 ehrenamtliche Unterstützer. Aber vor allem an Weihnachten und Silvester, wenn die Besucher ein Festessen mit Bescherung erwartet, ist jede helfende Hand willkommen.

Selbst wenn der Rutsch ins neue Jahr reibungslos gelingt, bleiben bis ins nächste Jahr wichtige Fragen offen. Wer ersetzt die schwächelnde Waschmaschine? Richter weiß es nicht. Wer die Armut der Stadt verwalten muss, der müht sich von einem frostigen Abend zum nächsten, muss hoffen, dass die Nachbarn ihre Spendenfreude bewahren. Und träumt davon, dass vielleicht doch einmal ein Sponsor anfragt. Seit jeher das wichtigste Utensil: Schlafsäcke. Hier ist der Bestand schon zu Beginn des Winters fast aufgebraucht. Und spätestens in Januar droht ein Engpass.

Es ist 20.30 Uhr, da löffelt Yolanda die Schale leer, schielt schon einmal hinüber zu den provisorischen Betten. "Es ist hier so sauber und warm", sagt sie. "Und das Essen schmeckt." Yolanda ist eine der vielen Frauen, die der City Station mehr Vertrauen schenken als männlich dominierten Schlafplätzen wie dem am Hauptbahnhof.

Yolanda kennt Berlin im wahrsten Sinne des Wortes als ein hartes Pflaster, doch in ihrer rumänischen Heimat, da war es noch schlimmer: "Dort hatte ich keine Arbeit, keine Wohnung, kein Hoffnung."

Vor der Tür drängt sich schon ein Pulk der Frierenden. Man hört deutsche Wortfetzen, rumänische, polnische. Die junge Frau darf nach dem Abendessen da bleiben, kann sich eine Matratze aussuchen. Heute Nacht hat sie im Kampf mit dem Frost gesiegt.

Wer mit Geld oder Sachspenden oder ehrenamtlicher Arbeit helfen möchte, kann bei der City Station vor Ort in der Joachim-Friedrich Straße 46 oder im Internet Kontakt aufnehmen unter www.berliner-stadtmission.de/city-station.
Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn Sie Ihren eigenen Willen in einer Patientenverfügung niederzuschreiben, erhalten Sie die größte Sicherheit, dass das, was geschieht, Ihren eigenen Weisungen und Vorstellungen entspricht.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wir informieren Sie
Patientenverfügung und Vorsorge

Wer denkt schon gerne an einen Unfall oder sein Ableben? Doch wenn der Notfall eintritt, stehen unsere Angehörigen vor einer großen Herausforderung. Um ihnen diese Last und Verantwortung zu erleichtern, ist eine Patientenverfügung wichtig. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, seinen eigenen Willen in einer Patientenverfügung niederzuschreiben. Dadurch erhalten Sie die größte Sicherheit, dass das, was geschieht, Ihren eigenen Weisungen und Vorstellungen entspricht. Ihre Ärzte und...

  • Hermsdorf
  • 08.05.24
  • 265× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Chronische Bauchschmerzen können das Leben stark beeinträchtigen.

Lösungsansätze
Chronische Bauchschmerzen verstehen

Chronische Bauchschmerzen sind definiert als konstante oder wiederkehrende Schmerzen, die drei Monate oder länger anhalten und das Leben stark beeinträchtigen können. Aber was steckt hinter diesen Schmerzen? Die möglichen Ursachen sind vielfältig und erfordern häufig eine umfangreiche Diagnostik. Rund 30 % der Betroffenen erhalten nach dem Hausarztbesuch keine spezifische Diagnose. Doch warum ist das so? Wir laden Sie ein, mehr über chronische Bauchschmerzen zu erfahren, warum eine Koloskopie...

  • Hermsdorf
  • 10.05.24
  • 94× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.