Sprachkurs im Kladower Wohnzimmer
Ukrainische Lehrerinnen lernen Deutsch, um bald wieder unterrichten zu können

Ukrainische Lehrerinnen als Schülerinnen mit ihren Lehrerinnen und der Gastgeberin des Sprachkurses. Hintere Reihe von links: Alona, Elena, Moira Denzer und Silke Maurmann. Vordere Reihe: Natalia, Susanne Deglmann und Gerit Probst.  | Foto:  Thomas Frey
  • Ukrainische Lehrerinnen als Schülerinnen mit ihren Lehrerinnen und der Gastgeberin des Sprachkurses. Hintere Reihe von links: Alona, Elena, Moira Denzer und Silke Maurmann. Vordere Reihe: Natalia, Susanne Deglmann und Gerit Probst.
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Es geht an diesem Abend um die Zeit. Um Tages- und Jahrezeiten, die Uhrzeit, um Stunden, Minuten und Sekunden. "Viertel nach Sieben", rekapitulieren Elena (33), Natalia (50) und Alona (29), was der Zeitmesser gerade anzeigt.

Die drei Frauen aus der Ukraine treffen sich seit Anfang April zwei Mal in der Woche zum Deutschkurs im Wohnzimmer von Moira Denzer in Kladow. Sie hat Natalia und ihren Sohn bei sich aufgenommen. Elena und Alona leben ebenfalls bei Spandauer Gastfamilien. Alle drei haben in der Ukraine als Grundschullehrerinnen gearbeitet. Deutsch wollen sie schon deshalb schnell lernen, um auch hier ihren Beruf wieder ausüben zu können.

Die Chancen sind gut, da für die vielen Willkommensklassen Lehrkräfte mit Deutsch- und Ukrainischkenntnissen gesucht werden. Den Frauen werde der sogenannte A1-Kurs vermittelt, sagt Susanne Deglmann, Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und ehrenamtliche Leiterin des Kurses. Voraussetzung für eine Lehrtätigkeit an einer Schule sei aber C1. Die drei Ukrainerinnen haben also noch eine Strecke vor sich.

Doch die drei Frauen brennen vor Ehrgeiz. Elena hat sich schon nach wenigen Stunden den Ruf einer hartnäckigen Nachfragerin erarbeitet. An diesem Abend will sie zum Beispiel die Worte "Uhr" und "Stunde" und ihre unterschiedliche Bedeutung erklärt bekommen. Diese Aufgabe übernimmt Silke Maurmann. Sie ist im Hauptberuf Lehrerin an der Astrid-Lindgren-Grundschule in Staaken und hilft beim Deutschkurs ehrenamtlich als Übersetzerin Deutsch-Englisch. Denn die englische Sprache beherrschen Elena und Alona perfekt, Alona hat sie in der Ukraine sogar unterrichtet. Und als Elena die englischen Begriffe "clock" und "hour" zu hören bekommt, hat sie auch deren deutsche Pendants verinnerlicht.

Silke Maurmann hilft nicht nur als Übersetzerin, sondern auch als Beraterin für das weitere berufliche Fortkommen des Frauentrios. Sie sollen ihr bitte alle vorhandenen Ausbildungszertigikate, wie das Abschlussdiplom, zukommen lassen, erinnert sie die Ukrainerinnen. Solche Unterlagen sind meist zumindest nicht vollständig bei der oft überhasteten Flucht mitgenommen worden. Aber vielleicht gebe es andere Möglichkeiten, an sie heranzukommen. Möglicherweise über ihre einstigen Universitäten. Sofern die derzeit noch arbeiten können oder überhaupt noch existieren.

Die Heimat von Elena, Natalia und Alona ist der Osten der Ukraine. Alona stammt aus der Gegend von Charkiw, Elena aus Dnipro. Ihre männlichen Familienangehörigen wie auch ein Teil ihrer früheren Schüler befinden sich weiter im Land. Viele Kinder seien aber geflüchtet wie sie und befänden sich in Berlin und anderen Städten in der Bundesrepublik, in Polen, Frankreich oder Bulgarien.

Der Sprachkurs ist nur ein Beispiel, wie das Kladower Unterstützungsnetzwerk funktioniert. Über direkte Kontakte oder über Plattformen wie nebenan.de werde sich über Bedarfe und Hilfsmöglichkeiten ausgetauscht, erzählt Gastgeberin Moira Denzer. Sprachunterricht sei eine wichtige Voraussetzung, um schnell Fuß zu fassen. Denn in Deutschland würden ja nicht nur Lehrerinnen gebraucht, sondern auch Ärzte oder Pflegepersonal. So entstand die Idee, den Kurs zu organisieren.

So laufe das gerade an vielen Stellen im Ortsteil, erklärt Stadtteilkoordinatorin Gerit Probst. Spachkurse gebe es auch in der evangelischen Kirchengemeinde. Es würden Veranstaltungen organisiert oder weiter Spenden eingesammelt. Dazu käme eine große Zahl von Menschen aus der Ukraine, die privat in Kladow untergekommen seien. Laut Schätzungen sind es bis zu 300 Personen.

Elena, Alona und Natalia verbinden mit dem Sprachangebot die Hoffnung, "to find my place", wie sie das auf englich ausdrücken. Was auch bedeutet, ankommen, zur Ruhe kommen. Mit einer sehr schnellen Rückkehr in ihre Heimat, das wird aus solchen Aussagen deutlich, rechnen sie nicht unbedingt. Dafür müsste sich zunächst ihr größter Wunsch erfüllen - ein Ende des Krieges.

Alle Drei wissen auch noch ihre ersten deutschen Worte. Bei Natalia war das "Genau". Elena erinnert sich an "Bitte" und "Danke". Und Alona an den Satz "Das ist phantastisch".

Der Kurs kann übrigens noch weitere Teilnehmerinnen aufnehmen. Interessentinnen melden sich bitte per E-Mail: lehrer.deutschkurs@netz-gemeinschaft.de.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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