Heinrich Zille und seine Jugend in Lichtenberg

An der Fischerstraße, wo Heinrich Zille seine Jugendjahre verbrachte und auch als junger Erwachsener lebte, erinnern Wandbilder an den Grafiker, Maler und Fotografen. | Foto: Berit Müller
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Kurt Tucholsky nannte ihn einmal „Berlins Besten“. Der Name Heinrich Zille (1858 – 1929) scheint mit der Spreemetropole verbunden zu sein wie kaum ein anderer. Weniger bekannt ist, dass der Chronist des großstädtischen Volkslebens jener Zeit einen Teil seiner Kindheit und Jugend in Lichtenberg verbrachte.

„Wer aber ist ein Meister? Der uns mit den Mitteln seiner Kunst sein seelisches Erleben so zu übermitteln versteht, dass wir es miterleben. Und so ein Meister sind Sie! Das große Mitleid regt sich in Ihnen, aber Sie beeilen sich, darüber zu lachen, um nicht gezwungen zu sein, darüber zu weinen. Wir spüren die Tränen hinter Ihrem Lachen.“

Diese berührenden Zeilen schrieb kein Geringerer als der bedeutende Impressionist Max Liebermann an Heinrich Zille, seinen guten Freund. Das war Anfang des 20. Jahrhunderts, als „Vater Zille“ oder „Pinselheinrich“ längst ein anerkannter, einigermaßen gut situierter Maler war. Heute gilt der Grafiker, Zeichner und Fotograf als einer der bekanntesten Künstler Berlins – berühmt vor allem für seine Szenen aus der proletarischen Unterschicht.

Geboren wurde Heinrich Zille im sächsischen Radeburg, später war er 40 Jahre lang in Charlottenburg zu Hause. Die prägenden Jahre seiner Jugend aber verbrachte Zille in Rummelsburg. Hier kamen auch seine drei Kinder zur Welt. Doch der Reihe nach: 1867 waren Zilles Eltern mit ihren zwei Kindern von Dresden nach Berlin gezogen, wo die vierköpfige Familie zuerst eine Kellerwohnung in Kreuzberg bewohnte. 1872 erstand der Vater ein kleines Gartenhaus an der heutigen Fischerstraße, in das die Familie einzog. Dort also wuchs der junge Heinrich heran – in recht ärmlichen Verhältnissen. Mit kleinen Aushilfsjobs, indem er Milch, Zeitungen und Brötchen austrug, verdiente er Geld für die Familie hinzu.

1883 heiratete Zille und gründete seinen eigenen Hausstand. Im Lichtenberger Kietz 13 – heute ebenfalls eine Adresse an der Fischerstraße – wurde im Oktober 1884 Tochter Margarete geboren. Sie erinnert sich später in der Publikation „Heinrich Zille. Berlin aus meiner Bildermappe“: „Wie sein Vater saß nun also auch mein Vater in einer Kellerwohnung … Mutter war stets bemüht, mich an die frische Luft zu bringen. Dann saß ich ganz friedlich in der warmen Sonne auf einem kleinen Schemel, hatte einen Tisch vor mir und spielte mit der einzigen Puppe, die ich besaß. Zwischendurch kam Mutter mit einer Stulle zu mir. So ist es auch an einem schönen sonnigen Sonntagmorgen im Juli 1886 gewesen. Ich hatte gerade wieder was zu essen bekommen, als Vater mit Zeichenblock und Stift aufkreuzte und sagte: ‚So Gretel, bleib hübsch sitzen, Vater macht was Feines mit dir!‘ Aber es geschah nichts. Da wurde es mir langweilig, ich stand auf und trollte mich. ‚Dumme Trine‘, soll er mir nachgerufen haben. Aber er war nicht böse, denn er hatte seine Arbeit fast fertig.“ Erhalten geblieben von dieser Rummelsburger Szene ist eine Zeichnung, die das kleine Mädchen auf seinem Schemelchen zeigt, samt Suppenschüssel und etwas zu großem Sonnenhut.

1887 zog Familie Zille in die Türrschmidtstraße in der Victoriastadt um, wo im Februar 1888 Filius Hans das Licht der Welt erblickte. 1890 der nächste Wohnungswechsel an den Mozartplatz, heute Geusenstraße. Dort bekam das Paar im Januar seinen dritten Nachwuchs, Sohn Walter. 1892 dann der Umzug nach Charlottenburg, wo Zille bis zu seinem Tod lebte. In den Osten der Stadt – so auch nach Lichtenberg - kehrte er dennoch häufig zurück, vor allem zu Studienzwecken für die Zeichnungen aus seinem „Milljöh“.

In der Fischerstraße, direkt gegenüber dem Oberstufenzentrum Max-Taut-Schule, erinnern heute drei Wandbilder im Stil des „Pinselheinrich“ an den berühmten Bewohner von einst.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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