Gelingt doch eine Sensation in der Vorrunde?
Deutsche Pokalmeisterschaft: Die Schachfreunde vom SC Siemensstadt sind krasser Außenseiter

Die Schachfreunde am Zug. Vorne rechts der Vorsitzende Thomas Binder. | Foto:  Thomas Frey
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Die Stimmung in der Aula der Schule an der Jungfernheide am Lenther Steig 1-3 ist hoch konzentriert. An mehr als 20 Tischen sitzen sich am 14. Januar die Schachfreunde Siemensstadt und ihre Gegner bei der Ligapartie in der Berliner Stadtklasse gegenüber. Die Spiele sind auch eine Art Aufgalopp für ein noch weitaus größeres Ereignis.

An gleicher Stelle sind die Schachfreunde am letzten Januar-Wochenende Gastgeber in der Vorrunde um die Deutsche Schach-Pokalmeisterschaft. Dabei geht es am Sonnabend, 27. Januar ab 14 Uhr und am Sonntag, 28. Januar ab 10 Uhr gegen drei weitere Teams. Zwei von ihnen kommen aus Leipzig und Hameln und spielen jeweils in der Oberliga, drei Klassen höher als die Siemensstädter. Der dritte Gegner ist die Deutsche Schach-Nationalmannschaft der Blinden und Sehbehinderten. Auch sie ist eigentlich einige Nummern zu groß für die Gastgeber.

Zunächst treten jeweils zwei Teams im Halbfinale gegeneinander an. Die Paarungen werden vor dem Start am Sonnabend ermittelt. Die jeweiligen Sieger treffen dann am Sonntag im Finale aufeinander. Wer dort gewinnt, zieht in das Viertelfinale des Schachpokals ein. Die Schachfreunde Siemensstadt sehen in dieser Veranstaltung vor allem eine gute Möglichkeit, für sich und ihren Sport zu werben. Die Qualifikation für den Pokal bedeutet den bisher größten Erfolg in der Vereinsgeschichte.

Tradition. In der aktuellen Konstellation gibt es die Schachfreunde seit 2004. Die Wurzeln reichen allerdings bis ins Jahr 1913 zurück, als unter dem Dach der Firma Siemens das Angebot eines organisierten Schachspiels entstand. Aus dieser Vergangenheit stammt eine besondere Requisite, eine historische Schachuhr, die vor einigen Jahren sogar auf der Leinwand in der Neuverfilmung des Romans „Schachnovelle“ von Stefan Zweig zu sehen war. Die Schachuhr ist jetzt in einer Vitrine in der Schule an der Jungfernheide zu bewundern.

Die Aktiven. Aktuell hat der Verein 51 Mitglieder. Sie spielen in drei Mannschaften in der Stadtklasse I, II und III. Die Besten sind in der sechsten Liga unterwegs. Das ist relativ weit unten, habe aber den Vorteil, dass viele Aktive sehr schnell zum Zug kommen, erklärt der Vorsitzende Thomas Binder. Für eine Ligapartie werden normalerweise acht Spieler benötigt. Beim Pokalwettbewerb sind es dagegen nur vier.

Nachwuchspflege. Zwei Drittel der Mitglieder sind nach Angaben des Vorsitzenden unter 30 Jahre alt. Unter denen befinden sich wiederum sehr viele Jugendliche. Dass sich heutige Heranwachsende für Schach interessieren, hat auch damit zu tun, dass sich der Sport gut interaktiv betreiben lässt. Gerade auf diese Weise fänden viele Jugendliche einen ersten Zugang, sagt Binder. Bei manchen komme irgendwann der Wunsch auf, sich auch direkt mit einem Gegner zu messen.

Der Verein macht allerdings auch einiges für die Nachwuchspflege und kooperiert vor allem mit dem Herder-Gymnasium in Charlottenburg und der Schule an der Jungfernheide.

An der Jungfernheide-Schule ist Jairo Gonzalez, gleichzeitig Mitglied bei den Schachfreunden, Verantwortlicher für die Schachaktivitäten. Rund 100 Schülerinnen und Schüler würden das Angebot nutzen, erzählt er. Auch Kampagnen des Schachverbandes, etwa gegen Sexismus und Diskriminierung, werden dort unterstützt. Für das Engagement gab es 2022 die Auszeichnung „Schachschule in Bronze“, im vergangenen Jahr folgte Silber, für 2024 peilt Jairo Gonzalez Gold an.

Ebenso wie Thomas Binder stellt auch er den pädagogischen und persönlichkeitsbildenden Gewinn von Schach heraus. Das Spiel unterstütze „Konzentration und Aufmerksamkeit“. Es lerne, „sich an Regeln zu halten“. Jeder könne mitmachen, auch weil es international bekannt sei. Und es sei außerdem gemeinschaftsfördernd.

Mehr Frauen. An den Schach-AG’s von Jairo Gonzalez nehmen viele Mädchen teil. Anders sieht es im Verein aus. Bei den Ligapartien am 14. Januar saßen für die Schachfreunde nur Herren an den Tischen. Der Anteil weiblicher Mitglieder sei sehr gering, räumt der Vorsitzende ein. Es falle schwer, sie für das organisierte Schachspiel zu begeistern. Schach habe noch immer das Image, eine Männerdomäne zu sein. Frauen und Mädchen würden sich daher ungern als Einzelpersonen einem Verein anschließen.

Teamgeist. Auch dass der Schachspieler ein einsamer Nerd ist, der vor allem sein Brett und die Figuren kennt, mag ein Klischee sein. Aber eine ganz eigene Atmosphäre gebe es, wenn ein Team antritt. Das gilt erst recht beim Pokalwettbewerb. „Wir sind da natürlich krasser Außenseiter“, gibt Binder zu. Realistisch betrachtet sei ein Aus schon nach der ersten Begegnung zu erwarten. Aber vielleicht gilt auch hier die Fußballweisheit: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze.

Weitere Informationen über die Schachfreunde Siemensstadt gibt es auf der Homepage auf www.herderschach.de.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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