"Ein Gedicht will gelesen werden"
Ulrich Grasnick gibt Lyrikseminare und stiftet einen Preis mit seinem Namen

Der Lyriker stiftet seit 2017 einen Lyrikpreis und leitet das Köpenicker Lyrikseminar. | Foto: Ralf Drescher
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Wer Ulrich Grasnick treffen möchte, muss viel Zeit mitbringen. Der 81-Jährige hat sich mit dem Köpenicker Lyrikseminar und einem nach ihm benannten Lyrikpreis einen Namen gemacht.

Beim Gespräch in seiner Wohnung am Gendarmenmarkt wechselt er kurz vom Sofa auf den Klavierhocker und spielt wie zur Erläuterung ein paar Takte. In Pirna geboren, hatte er vor 60 Jahren an der Musikhochschule Carl Maria von Weber in Dresden Gesang studiert und von 1966 bis 1973 unter Walter Felsenstein an der Komischen Oper gesungen. Schon damals schrieb Grasnick erste Gedichte. „Und zwar im Opernhaus, wenn alle weg waren und Ruhe einzog“, erinnert er sich. 1975 übernahm er im Köpenicker Kulturbundklub „Zu den sieben Raben“ einen Lesezirkel und etablierte daraus das Köpenicker Lyrikseminar. „Die Mitglieder hatten meinen Gedichtband ,Der vieltürige Tag‘ gelesen und mich regelrecht angeworben“, erzählt Grasnick.

Das Lyrikseminar gibt es noch immer, es hat alle Zeitenwenden und Umzüge überlebt. Quartiergeber ist heute das Kulturamt Treptow-Köpenick. Zweimal im Monat findet es in der Alten Schule in Adlershof statt. Zu DDR-Zeiten gab es allein in der Jugendgruppe des Seminars bis zu 60 Autoren. Heute sind es rund 20 Mitstreiter, die zu den Treffen bisher unveröffentlichte Texte mitbringen und vortragen. „Ich trage die dann noch einmal vor und dann debattieren wir“, erklärt Ulrich Grasnick.

Der tanzt, obwohl er im vorigen Jahr den 80. Geburtstag feierte, noch auf vielen Hochzeiten. In Vorträgen berichtet er zum Beispiel, wie er in den 70er-Jahren eine Einladung von Marc Chagall bekam. „Ich hatte ihm einige meiner Gedichte geschickt und wurde nach Frankreich eingeladen. Nach Schwierigkeiten mit der Reiseerlaubnis machte erst die Mitgliedschaft im Schriftstellerverband den Weg frei. Anna Seghers hatte meine Aufnahme unterstützt. In Frankreich bin ich dann als Troubadour singend um die Häuser gezogen, um die Reisekasse aufzubessern“, erinnert er sich.

Drei Jahre alt ist sein "jüngstes Kind", der Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis. Ihn verleiht er seit 2017. „Es gibt Hunderte fleißige und gute Lyriker, die von Verlagen nicht mal eine Antwort auf ihre Einsendungen bekommen. Ein Gedicht will gehört, gedruckt und auch gelesen werden“, sagt Ulrich Grasnick zu seiner Motivation.

Der Lyrikpreis wird ganz ohne Sponsorenhilfe ausgelobt und realisiert. Lebensgefährtin Almut Armelin bereitet die Einsendungen zum Wettbewerb für die Jury vor, die die Texte ohne Namen des Autors zu Gesicht bekommt. Beim ersten Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis hatten 350 Autoren über 700 Gedichte eingeschickt. Für den Preis 2019, der in diesen Tagen vergeben wurde, gab es 334 Gedichte von 147 Autoren. Preisträger sind Peter Frank und Kathrin B. Külow. Im kommenden Jahr erscheint eine Auswahl der eingeschickten Arbeiten als Anthologie.

Beim Köpenicker Lyrikseminar sind gestandene Lyriker ebenso willkommen wie Anfänger, die gerade das erste Gedicht geschrieben haben. Treff ist jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat ab 18.30 Uhr im Kulturzentrum Alte Schule, Dörpfeldstraße 54. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Wissenswertes unter www.ulrich-grasnick.de

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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