Wie der Künstler Rudolf Adam seinen Kiez auf Leinwand bringt
Alt-Hohenschönhausen. Ob Alle-Center, Orankesee oder Kneipen: Seit fast 40 Jahren spiegelt sich in Rudolf Adams Bildern der Alltag im Alt-Hohenschönhausener Kiez wider. Mit dem Künstler startet die neue Serie "Unser Kiez - Rund um die Konrad-Wolf-Straße".
Jeden Tag ist Rudolf Adam mit seinem Skizzenbuch im Kiez unterwegs. Am liebsten verweilt er im Allee-Center der Landsberger Allee. "Da finde ich immer Leute", sagt Adam. Er durchstreift die Gänge, zieht an Imbissen und Bäckerständen vorbei. "Meistens ist es die Haltung eines Menschen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht." In seinen Bildern portraitiert er die einfachen Leute: Einen beleibten Mann, der am Stehtisch eines Imbiss eine Bockwurst verspeist oder eine Muslima, die sich auf eine der Bänke im Center niederlässt. Hat er jemanden im Blick, muss es meistens ganz schnell gehen. Dann zückt Adam seinen Stift und bildet mit schnellen und sicheren Strichen die Figur schemenhaft ab. Tausende solcher Zeichnungen verwahrt er mittlerweile in hunderten Skizzenbüchern. "Lauter ulkige Menschen", sagt er lächelnd beim Durchblättern. So, als ob die Gestalten, die er auf der Straße ausfindig macht, in seinen Büchern noch ihre Eigenständigkeit bewahrt hätten. Der Strich, der sie alle abbildet, ist grob. Fast so rau wie die Welt der Kneipen und Stehimbisse, in denen sich diese Menschen bewegen. Die Details sind kaum ausgearbeitet, Gesichter nicht wieder zu erkennen. Und doch haben die Figuren ihre Individualität behalten. "Die Menschen bemerken fast nie, dass ich sie zeichne", sagt Adam.
Das macht der Künstler schon, seitdem er im Kiez wohnt. "Früher war es die "Schillerglocke", in der ich meine Modelle gefunden habe", erinnert sich der heute 70-Jährige. Wo früher die Kaufhalle mit der Kneipe "Schillerglocke" stand, steht heute das Allee-Center. 1979 bezog der Ingenieur mit seiner Frau die Wohnung in einem der Plattenbauten der Landsberger Allee. Hier hat er sich auch ein kleines Atelier eingerichtet. Die Kunst hat nach fast vier Jahrzehnten auch den Rest der Wohnung erobert. Fast jede Wand ist mit Bildern behängt. Schon als kleiner Junge habe er gerne gezeichnet: "Zuerst war es Tusche, dann probierte ich Öl." Er experimentierte auf Lainen – den seine Mutter, eine Schneiderin, besorgte. Und nahm Unterricht bei einem böhmischen Landschaftsmaler. Später eignete er sich in Mal- und Zeichenzirkeln weitere Fähigkeiten an: Dazu gehören Holzschnitt, Radierung und Aktstudium.
"Malen ist für mich immer ein Hobby geblieben", sagt er. Dabei zählt er zum Kreis der Hohenschönhausener Maler, dem auch solche profilierten Künstler wie der verstorbene Eberhard Bachmann angehörten. Rudolf Adams Arbeit ist nicht nur im Kunstarchiv Beeskow dokumentiert, wo wichtige DDR-Laienschaffendenkunst archiviert ist. Seine Werke waren auch in Gruppenausstellungen in der Galerie 100 in der Konrad-Wolf-Straße 99 zu sehen.
Landschaftsmalerei gehört zu seinen weiteren Leidenschaften. "Das Waldstück am Obersee mit seinen Buchen ist im Herbst besonders ansprechend." Beide Leidenschaften – die der figürlichen und der landschaftlichen Malerei – werden auch am Orankesee befriedigt. Hier gibt es nicht nur den See, sondern auch einen Biergarten. Adam nimmt ein weiteres Skizzenbuch aus dem Regal. Darin sieht man Menschen auf Bierbänken herumkauern, in Zeitungen lesen. Das pure Leben. KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.