Geschichten vom Orankesee
Eveline Bröse arbeitete mehr als 20 Jahre im Strandbad an der Gertrudstraße

Eveline Bröse an ihrer alten Wirkungsstätte - mehr als 20 Jahre war sie unter anderem Schwimmmeisterin im Strandbad Orankesee. | Foto: Berit Müller
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Das Strandbad Orankesee feiert in diesem Jahr den 90. Geburtstag. Beim großen Seenfest am 7. September erscheint dazu eine Festzeitschrift des Fördervereins Obersee & Orankesee (FOO). Darin erinnern sich Zeitzeugen an ihre Erlebnisse in der malerisch gelegenen Badeanstalt – darunter auch Eveline Bröse. Sie war dort von 1970 bis kurz nach der Wende beschäftigt. Berliner-Woche-Reporterin Berit Müller traf sie zum Gespräch.

Frau Bröse, Ihre genaue Berufsbezeichnung lautete: Referentin für Naherholung beim Rat des Stadtbezirks Weißensee. Was hatten Sie da zu tun?

Eveline Bröse: Ich war für die zwei Weißenseer Freibäder zuständig, das eine lag am Weißen See und das andere am Orankesee. Der zählte damals noch nicht, wie heute, zu Hohenschönhausen. Außerdem kümmerte ich mich um zwei sogenannte Warmbäder. Dort konnten sich Leute, die zu Hause keine eigene Wanne oder Dusche hatten, der Körperpflege widmen. Für dieses Quartett war ich kaufmännisch verantwortlich und machte alles: Mitarbeiter einstellen, Saisonkräfte besorgen, Inventar bestellen, den Betriebsablauf koordinieren. Das war ein schöner Job, im Gegensatz zu Kollegen in anderen Freibädern hatten wir seitens des Stadtbezirks für die Ausstattung kaum finanzielle Sorgen. Gleichzeitig war ich auch Schwimmmeisterin im Orankeseebad, und mein Mann Uwe war hier von 1969 bis 2003 Badebetriebsleiter und Schwimmmeister.

Wie sah das Strandbad denn früher aus? Hat sich im Vergleich zu den 1970er-Jahren viel verändert?

Bröse: Nein, gar nicht. Die Rutsche gibt es allerdings erst seit 1997, das Strandbad war das erste im Osten, das so eine Attraktion bekam. Aber der Sandbereich, die Bauten, Wiesen und Bäume – das ist alles fast noch so wie früher. Strandkörbe gab es damals auch. Selbst der Kiosk war schon, wo er heute ist. Nur stand dort fast immer eine Schlange an. Es war ja oft rappelvoll im Bad, und eine Bockwurst oder ein Eis konnte sich jeder leisten. Eigentlich war auf der Wiese mal ein größerer Imbiss-Pavillon mit mehreren Ausschänken geplant. Der fiel aber dem Rotstift zum Opfer, als in den 1950er-Jahren das Freibad Pankow gebaut wurde, das einen Haufen Geld verschlang.

Sie sagen, dass damals im Orankeseebad häufig Hochbetrieb herrschte: Über wie viele Besucher reden wir?

Bröse: Ausgelegt ist die Badeanstalt für etwa 3500 Besucher, ich kann mich an einen Tag mit insgesamt 12 500 Gästen erinnern. Und übers Jahr haben wir schon mal 350 000 Leute gezählt.

Das ist selbst in guten Jahren mit den heutigen Zahlen nicht vergleichbar. Was glauben Sie, woran das liegt?

Bröse: Da gibt es sicher eine Reihe von Gründen. Zum einen hatten wir grundsätzlich vom 1. Mai bis zum 30. September geöffnet, täglich von 8 bis 20 Uhr. Egal, wie das Wetter war. Tatsächlich herrschte manchmal solch ein Andrang, dass die Schlange von der Kasse fast bis zur Tramhaltestelle reichte. Damals hielten noch zwei Linien ganz in der Nähe, und die Leute kamen überwiegend mit der Straßenbahn. Viel weniger Familien besaßen ein Auto. Sicher spielten auch die Eintrittspreise eine Rolle. Erwachsene zahlten 20, Kinder zehn Pfennig, Schul- oder Hortgruppen vormittags gar nichts. Im Hochsommer hatten wir oft schon morgens 3000 Ferienkinder hier.

Wie stand es denn da um die Wasserqualität?

Bröse: Die war gut bis sehr gut, dank der Zu- und Abflüsse. Das Wasser konnte sich in einem Kreislauf quasi ständig erneuern. Bei Bedarf wurde eben nonstop sauberes Grundwasser zugepumpt und Seewasser abgepumpt. Strom kostete nicht viel.

Gibt es ein ungewöhnliches Erlebnis, an das Sie sich erinnern?

Bröse: Ich war ja auch als Rettungsschwimmerin eingesetzt, und eines Tages kam eine Frau ganz aufgelöst zu uns. Sie fürchtete, ihr Mann sei ertrunken, weil er seit Ewigkeiten fort war. Also ließen wir ihn ausrufen und begannen vorsichtig – ohne die Leute aufzuschrecken – den See abzusuchen. Nichts. Wir riefen ihn erneut aus, und wieder verging einige Zeit. Dann stand plötzlich ein mit Bockwürsten und Getränken beladener Mann bei uns am Rettungsturm. Er hatte schon den ersten Aufruf gehört, wollte aber nach anderthalb Stunden Anstehen am Kiosk so kurz vorm Ziel nicht aufgeben. Ich möchte nicht wissen, was der von seiner Frau zu hören bekam. Aber wenigstens ist alles gut ausgegangen.

Wie haben Sie die Wende im Bad erlebt?

Bröse: Von einem zum anderen Tag hat sich alles verändert. Vor dem Sommer 1990 gab es an den Wochenenden sofort einen Ansturm, wenn die Temperaturen über 25, 26 Grad stiegen. Auf einmal blieb das Bad sonnabends auch bei Hitze so gut wie leer. Die Leute nutzten den Tag lieber zum Shoppen, weil es ja endlich etwas einzukaufen gab. Außerdem waren andere Ausflugsziele nun natürlich attraktiver.

Sie sind inzwischen im Ruhestand. Kommen Sie denn heute noch gern ins Strandbad Orankesee?

Bröse: Früher war ich jeden Morgen im Wasser, noch bevor wir die Tore aufschlossen. Schließlich habe ich in meiner Jugend Leistungssport betrieben. Das steckt wohl noch immer in mir. Ich trainiere zwei- bis dreimal pro Woche. Aber ich bevorzuge Schwimmhallen, wo es Bahnen gibt, auf denen ich durchpowern und ein festes Ziel ins Auge fassen kann. Ins Strandbad gehe ich lieber, wenn das Seenfest gefeiert wird.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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