Walter Benjamins „Berliner Kindheit“
Schloss Britz zeigt zeitgenössische künstlerische Positionen in Bezug auf das Werk des Autors

„Duldung deluxe“: Die Aufnahme des bosnischen Fotografen Nihad Nino Pušija zeigt einen von der Abschiebung bedrohten jungen Menschen. In der Ausstellung wird sie im Zusammenhang mit Walter Benjamins Reisepass von 1928 gezeigt. | Foto:  Nihad Nino Pušija
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  • „Duldung deluxe“: Die Aufnahme des bosnischen Fotografen Nihad Nino Pušija zeigt einen von der Abschiebung bedrohten jungen Menschen. In der Ausstellung wird sie im Zusammenhang mit Walter Benjamins Reisepass von 1928 gezeigt.
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  • hochgeladen von Ulrike Martin

„Expeditionen in die Tiefen der Erinnerung“ ist der Titel der neuen Sonderausstellung auf Schloss Britz, Alt-Britz 73. Gewidmet ist sie dem Schriftsteller und Publizisten Walter Benjamin (1892-1940), einem der bedeutendsten Denker der Moderne, und seinem Werk „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“.

In der Zeit von 1932 bis 1938 schrieb Benjamin, aufgewachsen im Berlin der Gründerzeit, an dieser Sammlung autobiografischer Skizzen. Ausgewählte Texte daraus sind im Kontext der historischen Räume im Schloss Britz neu zu hören und zu erleben. Zeitgenössische künstlerische Positionen, unter anderem von Künstlern wie Barbara Duisberg, Matthias Beckmann, Birgit Auf der Lauer und Caspar Pauli, nähern sich der Person Benjamins und seinem Werk. Themen, die in der „Berliner Kindheit“, in weiteren Texten und Benjamins Biografie begründet liegen, werden variiert und kommentiert. Zudem wird visualisiert, was von Benjamins Welt verloren ging oder rekonstruiert werden kann.

Benjamin wurde in eine wohlhabende Familie assimilierter Juden hineingeboren; sein Vater war Kaufmann und Kunsthändler. Die Familie lebte in stattlichen Wohnungen im Tiergartenviertel und im Berliner Westen sowie in einer repräsentativen Villa im Grunewald. Der Autor wuchs somit in einer sozialen Schicht auf, die vergleichbar ist mit jener der letzten privaten Besitzer von Schloss Britz, der Industriellenfamilie Wrede, die das Herrenhaus als Sommersitz nutzte. Deren Wohnung im heute zerstörten Stadthaus in der Roonstraße im Alsenviertel in Wannsee wies einen ähnlich opulenten, historischen Einrichtungsstil auf wie die Benjamin-Wohnungen – in rekonstruierter Form im Schloss Britz nachzuerleben.

Benjamin ging 1933 nach der Machergreifung durch die Nationalsozialisten nach Paris ins Exil, wo er mit Unterbrechungen bis 1939 lebte. In der „Berliner Kindheit um Neuzehnhundert“ ließ der Autor seine Kindheit und die ihn prägenden Orte und Dinge Revue passieren. Die Skizzen sollten jedoch kein Schutz vor Heimweh sein, sondern vielmehr eine objektive Reflexion über die Zeit der Jahrhundertwende. Sie sollten wohl auch erklären, wie es zur sich ankündigenden Katastrophe von Totalitarismus, Verfolgung und Krieg kommen konnte.

Benjamin wurde 1939 für drei Monate mit anderen deutschen Flüchtlingen interniert. Nach der Rückkehr aus der Haft wollte er nach Spanien gelangen und von dort mit seinem USA-Visum ausreisen. Im spanischen Grenzort Portbou angekommen, befürchtete er trotzdem weiterhin die Auslieferung an die Deutschen und nahm sich am 27. September 1940 das Leben.

„Expeditionen in die Tiefe der Erinnerung. Walter Benjamins Berliner Kindheit um Neuzehnhundert“ läuft bis zum 30. Dezember. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt drei Euro. Im Rahmen der Ausstellung gibt es Führungen, Workshops und Angebote für Kindergruppen und Schulklassen sowie für Senioren.

Weitere Informationen gibt es unter schloss-gutshof-britz.de/schloss-britz.

„Duldung deluxe“: Die Aufnahme des bosnischen Fotografen Nihad Nino Pušija zeigt einen von der Abschiebung bedrohten jungen Menschen. In der Ausstellung wird sie im Zusammenhang mit Walter Benjamins Reisepass von 1928 gezeigt. | Foto:  Nihad Nino Pušija
In der Dauerausstellung zur „Bürgerlichen Wohnkultur der Gründerzeit“ im Schloss Britz sind kleine „Bühnenbilder“ aufgebaut, die mit den autobiografischen von Walter Benjamins „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“ korrespondieren. | Foto:  Alexander Hartmann
Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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