Für ein gutes Miteinander
BENN-Team Britz will Integration fördern

Susen Engel und Leny Chemali würden gerne bald ein Ladenlokal außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft beziehen, um für die Britzer besser erreichbar zu sein. | Foto: Schilp
  • Susen Engel und Leny Chemali würden gerne bald ein Ladenlokal außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft beziehen, um für die Britzer besser erreichbar zu sein.
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Die größten Flüchtlingsunterkünfte Neuköllns sind in Buckow und Britz. Dort haben Anfang des Jahres BENN-Teams ihre Arbeit aufgenommen. BENN steht für „Berlin entwickelt neue Nachbarschaften“. Die Mitarbeiter wollen Kontakte zwischen Alteingesessenen und Flüchtlingen fördern, zwischen ihnen vermitteln und das Ehrenamt in den Kiezen stärken.

„Wir verstehen uns als Ansprechpartner für Anwohner und Bewohner“, sagt Sozialwissenschaftlerin und Teamleiterin Susen Engel. Sie und ihre beiden Kollegen kümmern sich im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und des Bezirksamts in den nächsten 18 Monaten um ein möglichst gutes Miteinander in Britz - darum, dass die Menschen sich kennenlernen.

Noch haben sie ihren Sitz in der Flüchtlingsunterkunft an der Haarlemer Straße 89, doch sie suchen dringend Räume außerhalb, am besten ein Ladenlokal. „Dort wollen wir Angebote an alle machen wie zum Beispiel zur Wohnungssuche. Ganz wesentlich ist es aber, dass wir für Leute, die ihre Ideen oder auch ihre Wut oder Angst loswerden wollen, unkompliziert erreichbar sind.“

In der von der Stephanus-Stiftung betriebenene Flüchtlingsunterkunft an der Haarlemer Straße ist die Zahl der Bewohner von anfangs 200 bis 300 Menschen, seit diesem Frühjahr auf rund 600 Flüchtlinge gestiegen. Viele von ihnen kamen aus Notunterkünften wie dem alten C&A-Kaufhaus an der Karl-Marx-Straße oder aus Hostels. Derzeit steht die Sanierung der alten Häuser an. Irgendwann sollen hier bis zu 1000 Menschen ein Zuhause auf Zeit finden.

Akzentfrei Deutsch

„Wir haben viele Familien, ein Drittel der Bewohner ist jünger als 16 Jahre. Sie kommen aus 28 Nationen, hauptsächlich sind es Afghanen, Syrer, Iraker und Palästinenser. Alle Schulkinder sind mit Plätzen versorgt, die Kleinen gehen fast alle in die Kita.“ Apropos: Viele der Kinder und Jugendlichen sprechen inzwischen akzentfrei deutsch. „Im Alltag außerhalb der Unterkunft übersetzen manchmal schon Siebenjährige für die Erwachsenen, eine große Verantwortung“, so Leny Chemali, BENN-Mitarbeiterin und Projektmanagerin mit libanesischen Wurzeln.

Die Unterkunft mit ihren Apartments, den bunten Sonnenschirmen und dem Spielplatz wirkt auf manche Passanten fast wie eine Ferienanlage. „Von drinnen sieht es anders aus, das ist kein leichtes Leben, die Menschen wünschen sich Selbstständigkeit und eine eigene, richtige Wohnung“, sagt Chemali. Die strengen Regularien, die in so großen Unterkünften auch notwendig seien, gingen mit Einschränkungen für den Einzelnen einher: Zum Beispiel gelte begrenztes Besuchsrecht, Außenstehende und Freunde dürften hier nicht übernachten.

Der angespannte Immobilienmarkt macht die Situation schwierig. Denn tatsächlich könnten mehr als 40 Prozent der Bewohner sofort in eigene Wohnungen ziehen – ihre Anträge auf Asyl wurden bereits anerkannt. Doch es geht ihnen wie auch vielen anderen Hauptstadtbewohnern, die meisten finden nichts. „Wir können sie ja nicht einfach auf die Straße setzen“, so Susen Engel.

Umso wichtiger ist es, dass sie Kontakte zu ganz normalen Berlinern bekommen. Manche haben sie bereits auf eigene Faust geknüpft. Da ist der Iraner, der mit Berliner Symphonikern Musik macht, die Pakistaner, die quer durch die Stadt fahren, um ihr geliebtes Kricket zu spielen, die Eritreer, die am Innsbrucker Platz eine passende christliche Gemeinde gefunden haben.

Ansprechpartner und Multiplikator

„Aber eigentlich würden sie sich lieber in einer Britzer Kirche treffen“, erzählt Engel. Genau hier wird das BENN-Team aktiv. Es führt Gespräche mit Gemeinden, Freizeiteinrichtungen, Gewerbetreibenden und den vielen Vereinen im Ortsteil. „Wir wollen Akteure unterstützen, den Informationsfluss aufrechterhalten, potentielle Arbeitgeber beraten.“

Einiges ist schon auf den Weg gebracht. Der Verein „ProNeubritz“ bietet Spaziergänge an, es wird gemeinsam gekocht, Mädchen spielen im Verein Fußball, andere Kinder treffen Altersgenossen im Erlebniszirkus, im Anton-Schmaus-Haus, in der Sternschnuppe oder der Feuerwache. In der Unterkunft gibt es ein Frauencafé, ein Näh- und Strickzirkel ist im Aufbau. Die Pflanzengruppe, die das Gelände verschönert, sucht noch Mitstreiter und Spenden (Kontakt über Dirk Palachowksi unter Telefon 83 23 88 76).

Aber es ist nicht alles eitel Sonnenschein. Für Einbrüche in Eigenheimen und Kleingärten würden immer wieder die Flüchtlinge verantwortlich gemacht, erzählt Engel. Hier leiste das BENN-Team Aufklärungsarbeit. „Wir machen zum Beispiel klar, dass die Bewohner mit den angeblich von ihnen gestohlenen Gegenständen gar nicht am Wachschutz vorbeikämen.“ Inzwischen hätten die pauschalen Verdächtigungen ein wenig abgenommen.

Regeln werden vermittelt

Für Unmut sorgen auch mitgenommene Einkaufswagen aus den angrenzenden Supermärkten und auf der Straße abgestellte Möbel. Da heißt es, bestimmte Regeln und Verhaltensweisen zu vermitteln. In Sachen Islamismus wird der Polizei-Abteilung Agia (Arbeitsgebiet interkulturelle Angelegenheiten) und anderen Partnern zusammengearbeitet. Es würde schnell auffallen, wenn jemand beispielsweise eine radikale Moschee besuche, ist sich Engel sicher.

Was sie freut, ist die „sehr differenzierte Sichtweise“ der Britzer. „Selbst Leute, die Angst vor einer Islamisierung haben und gegen die deutsche Flüchtlingspolitik sind, wollen nicht, dass Menschen jahrelang in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen wie an der Haarlemer Straße. Wir hören oft den Begriff ,Ghetto’“.

Kontakt zum BENN-Team: Susen Engel (Telefon 0151/18 88 79 01) und Leny Chemali (Telefon 0151/40 66 47 48) sind dienstags von 15 bis 18 Uhr und donnerstags von 10 bis 13 Uhr oder per E-Mail an benn-britz@stephanus.org zu erreichen.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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