Ein geheimnisvoller Platz mit Geschichte
Der Friedhof Grunewald-Forst hat einen mystischen Ruf

Mitten im Wald, von einer Steinmauer umgeben, befindet sich der sogenannte Selbstmörderfriedhof.  | Foto: K. Rabe
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  • Mitten im Wald, von einer Steinmauer umgeben, befindet sich der sogenannte Selbstmörderfriedhof.
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Mitten im Grunewald und ziemlich einsam liegt der Friedhof Grunewald-Forst. Es ist ein merkwürdiger Ort, der zu den idyllischsten Friedhöfen Berlins gehört. Wegen seiner Geschichte wird er auch als „Friedhof der Namenlosen“, „Selbstmörderfriedhof“ oder gar „Schandacker“ bezeichnet. Nicht nur diese Spitznamen verleihen dem Ort etwas Mystisches.

Das schwere, eisenbeschlagene Holztor öffnet sich mit einem Knarzen. Es ist still, nur die Vögel zwitschern. Eine schwarze Katze streift zwischen verwitterten Grabsteinen und zugewachsenen Grabstellen umher. Sonst ist hier niemand. Man hat den Eindruck, dass hier auch schon lange keiner mehr war. Die meisten Grabstellen auf dem gerade mal knapp 5000 Quadratmeter großem Areal sind verwildert, Grabsteine von Laub bedeckt oder hinter Wildwuchs versteckt. Es ist ein seltsamer Ort.

Wasserleichen aus der Bucht von Schildhorn

Warum mitten im Grunewalder Forst dieser Ort entstanden ist, hat einen gruseligen Grund. Am Ufer der Havel, unweit des Friedhofes, wurden im 19. Jahrhundert immer wieder Wasserleichen an Land gezogen. Durch eine unterirdische Strömung wurden die Toten in der Bucht von Schildhorn angespült. Unter den Ertrunkenen waren auch Menschen, die sich das Leben nahmen. Die christlich Kirche verweigerte die Beerdigung von Selbstmördern auf ihren Friedhöfen, denn Selbstmord galt als Todsünde. Um den Toten eine letzte Ruhestätte zu geben, beschloss die Forstverwaltung des Grunewaldes um 1878, sie in der Nähe des Fundortes auf einer Waldlichtung zu bestatten. Das sprach sich herum und veranlasste den einen oder anderen Lebensmüden, sich diesen Platz im Grunewald zum Sterben auszusuchen – in der Hoffnung, hier ein würdiges Begräbnis zu erhalten.

Die erste offizielle Beerdigung fand im Jahr 1900 statt. Laut einer Eintragung vom 22. Januar 1900 fand ein 22-jähriger Schlossergeselle seine letzte Ruhe.

Fünf Russen begraben

Zum Ende des Ersten Weltkrieges wurden auf dem mit knapp 5000 Quadratmetern Fläche relative kleinem Friedhof auch Opfer des Krieges beerdigt. Unmittelbar am Eingang stehen etliche kleine Holzkreuze. Daneben fallen fünf große russisch-orthodoxe Kreuze mit zwei waagerechten und einem schrägen Kreuzarm ins Auge, die mit kyrillischen Buchstaben beschriftet sind. Sie erinnern an fünf Russen, die sich zwischen 1917 und 1919 in der Havel das Leben genommen haben. Sie sollen vor der Oktoberrevolution geflohen und ihrem verehrten Zaren in den Tod gefolgt sein.

Begehrte Grabstätte

Nach der Bildung Groß-Berlins 1920 gehörte der Friedhof der Stadt Berlin und war somit unabhängig von der Kirche. Noch bis 1927 wurde er als "Selbstmörderfriedhof" betrieben, 1928/29 wurde das Areal mit einer festen Mauer eingegrenzt. Somit wurde die nun gepflegte Anlage begehrt. Einige sicherten sich schon zu Lebzeiten einen Platz auf dem besonderen Friedhof im Wald. Der Berliner Heimatforscher und Friedhofskenner Willi Wohlberedt (1878-1950) ließ sich hier lange vor seinem Tod eine Grabstätte reservieren. Ein besonderes Grab ist auch dem einstigen Oberförster des Grunewalds, Willi Schulz (1881-1928), gewidmet. Obwohl er sich 1925 selbst das Leben nahm, nachdem er vom königlich preußischen Oberförster zum einfachen Förster degradiert wurde, bekam er später ein Ehrengrab.

Stiefeletten an Sängerin Nicos Grab

Das bekannteste Grab ist das der Velvet Underground-Sängerin Nico. Christa Päffgen, so ihr bürgerlicher Name, starb 1988 im Alter von 49 Jahren nach einem Fahrradunfall auf Ibiza. Die Grabstätte der Pop-Ikone, die als Model, Schauspielerin und Sängerin der Kultband The Velvet Underground von sich reden machte, wird regelmäßig von Fans besucht und mit Weinflaschen, Lippenstiften und anderen Utensilien bestückt. Aktuell stehen ein paar Stiefeletten an ihrem Grab.

Kinder-Grab sorgt für Gänsehaut

Ein Platz, der für Gänsehaut-Momente sorgt, ist eine Grabstelle, in deren Mitte eine blaue Bank steht. Hier befinden sich fünf Gräber. Auf den Steinen, drei sind noch zu finden, macht das Todesdatum nachdenklich. Es zeigt bei allen den 23. Dezember 1975. Auch das Geburtsjahr ist identisch: 1972. Die fünf hier beerdigten Kinder sind nur drei Jahre alt geworden. Der Grund für ihren frühen Tod war ein Brand in einem Berliner Kinderladen.

Die Adresse des Friedhofs ist Havelchaussee 92G, er ist täglich von 7 bis 20 Uhr zugänglich.

Autor:

Karla Rabe aus Steglitz

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