Rüdiger Henning erinnert sich
Olympia München 1972: „Mein Gedanke war: Jetzt bloß keinen Fehler machen“

Rüdiger Henning mit seiner Goldmedaille von 1968. | Foto: Thomas Frey
5Bilder
  • Rüdiger Henning mit seiner Goldmedaille von 1968.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

"Alles war geübt und durchgeplant", erinnert sich Rüdiger Henning (78). „Alle paar Meter zeigte uns jemand an, ob wir zu schnell oder zu langsam waren.“ Das war vor 50 Jahren. Doch bis heute erinnert sich der damalige Ruderer an jedes Detail bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in München 1972.

Rüdiger Henning mit einem Bild, das ihn als Fahnenträger bei der Eröffnung der olympischen Spiele 1972 zeigt. Er läuft auf der linken Seite als dritter von vorne.  | Foto: Thomas Frey
  • Rüdiger Henning mit einem Bild, das ihn als Fahnenträger bei der Eröffnung der olympischen Spiele 1972 zeigt. Er läuft auf der linken Seite als dritter von vorne.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Acht Männer trugen am 26. August 1972 die olympische Fahne ins Stadion. Parallel zur olympischen Hymne musste das Tuch am Mast befestigt sein. Das hat funktioniert, wie heute noch auf YouTube nachverfolgt werden kann. Rüdiger Henning verdankte seine Berufung als Fahnenträger dem Ziel der Organisatoren, vieles anders zu machen als bei Spielen zuvor. Nicht Militärkadetten sollten beispielsweise die Flagge ins Stadion bringen, sondern Zivilisten, Sportler, Olympiasieger.
Die olympischen Spiele von München sind jetzt genau 50 Jahre her. Deshalb wird in diesen Tagen häufig daran erinnert. Es sollten die "heiteren Spiele" werden, die dann einen tragischen Verlauf nahmen. In München sollte es der bundesdeutsche Ruder-Achter sein, Goldmedaillengewinner der Mexiko-Spiele 1968.

Bereits 1962 erschien ein Artikel über den späteren Olympiasieger im Spandaueer Volksblatt. | Foto: Thomas Frey
  • Bereits 1962 erschien ein Artikel über den späteren Olympiasieger im Spandaueer Volksblatt.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Rüdiger Henning war einer von ihnen. Seit seiner Jugend ruderte er beim Spandauer RC Arkona. Sein Talent fiel schnell auf, wie bereits 1962 im Spandauer Volksblatt nachzulesen war. Er landete im Kader des legendären Rudertrainers Karl Adam in Ratzeburg und wurde Teil des Gold-Achters. Beim Erfolg in Mexiko war er knapp 25 Jahre alt.

Der damalige Organisationskomitee-Chef Willi Daume sei es gewesen, der die Ruderer vier Jahre nach dem Mexiko-Gold mit dem Hissen der Olympiaflagge betraut haben wollte. Ungefähr ein halbes Jahr vor Beginn der Spiele sei auch bei ihm die Anfrage eingegangen, ob er als Fahnenträger zur Verfügung stehe. Wie alle seine Teamkameraden sagte Rüdiger Henning zu.

Drei Tage vor dem 26. August reiste das Achter-Team an und bezog Quartier im olympischen Dorf. Es habe dann einige Durchläufe ihres Flaggenlauf, einschließlich einer Generalprobe gegeben. Am meisten Schwierigkeiten machte das Einüben eines gewissen Gleichschritts. "Denn mit einer Ausnahme war keiner von uns bei der Bundeswehr".

Auch das Buch mit dem gesamten Ablauf der Eröffnungsfeier hat Rüdiger Henning noch.  | Foto: Thomas Frey
  • Auch das Buch mit dem gesamten Ablauf der Eröffnungsfeier hat Rüdiger Henning noch.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

An die Eröffnungsfeier hat Rüdiger Henning auch 50 Jahre später noch sehr genaue Erinnerungen. Unvergesslich sei natürlich der Moment, als sie durch das Marathontor ins Stadion kamen und ihnen mehr als 80 000 Menschen zujubelten. An die Bedeutung des Ereignisses habe er aber in diesen Minuten nicht gedacht oder höchstens indirekt. "Ich hatte vor allem Gedanken wie keinen Fehler machen, nicht stolpern oder hoffentlich klappt alles."

In den Tagen danach konnten die Ruderer die Spiele und die Atmosphäre genießen. Sie besuchten die Wettkämpfe, vor allem in ihrer Sportart, waren Gäste bei Empfängen. Etwa bei einem Treffen aller damals noch lebenden deutschen sowie internationalen Olympiasiegern wie zum Beispiel Jesse Owens, Held der Spiele von Berlin, oder Johnny Weissmüller, der 1924 und 1928 insgesamt fünf Goldmedaillen im Schwimmen gewonnen hatte und danach auch als Tarzan-Darsteller berühmt wurde.

Ausflüge hat es auch gegeben. Etwa an jenem 5. September 1972, der die Spiele in München verändern sollte. "Wir haben an diesem Tag sehr früh das olympische Dorf verlassen, weil es mit dem Zug nach Berchtesgaden gehen sollte". Dadurch bekamen die Ruderer zunächst nichts vom  Terroranschlag auf die israelische Olympiamannschaft mit, erfuhren davon erst am Ziel ihrer Reise. Sie seien dann sehr schnell wieder nach München zurückgebracht und direkt zum Olympiastadion gefahren worden. Dort war für diesen Abend eine Probe für die Schlussfeier angesetzt. Die fand statt, aber unter "gespenstischen Bedingungen", erzählt Rüdiger Henning. "Es gab keine Musik, alle Ansagen waren in getragenem Ton, auch das Flutlicht war gedimmt. Schon deshalb, um die Hubschrauber nicht zu blenden, die über dem olympischen Dorf flogen." Dort, nur wenige Meter entfernt, waren die israelischen Geiseln noch immer gefangen. Sie wurden wenig später mit den Terroristen zum Flughafen Fürstenfeldbruck geflogen und dort bei einer versuchten Befreiungsaktion alle getötet.

Rüdiger Henning mit seinem Olympia-Ausweis. | Foto: Thomas Frey
  • Rüdiger Henning mit seinem Olympia-Ausweis.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Gerade dieser Tag und die folgende Nacht scheint Rüdiger Henning besonders im Gedächtnis geblieben zu sein. Nach der Probe wäre ihnen gesagt worden, sie könnten zunächst nicht in ihre Unterkunft zurück. Sie sollten in die Stadt fahren und die weiteren Nachrichten verfolgen. "Das machten wir dann und hörten gegen Mitternacht, die Geiseln wären gerettet, auch eine Rückkehr ins Dorf wieder möglich." Erst am nächsten Morgen wurde die traurige Wahrheit bekannt.

Sie seien auch bei der Trauerfeier im Stadion gewesen. Bei der Schlussfeier oblag ihnen die Aufgabe, die olympische Fahne wieder vom Mast zu holen. Die Atmosphäre sei da mit der zu Beginn überhaupt nicht mehr zu vergleichen gewesen. Seit dem 5. September habe eine gedrückte Stimmung über dem Großereignis gelegen.

Ja, die Tage von München seien ein wichtiges Ereignis in seinem Leben gewesen, sagt Rüdiger Henning. Auch wenn er dem Olympiasieg in Mexiko eine noch größere Bedeutung bemisst. Ohne den hätte es auch die tragende Rolle vier Jahre später nicht gegeben.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 314× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 357× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 343× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 203× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 392× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 717× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.