Über den eigenen Tellerrand schauen
Das Albert-Einstein-Gymnasium trägt seit drei Jahren den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage"

Die Zwölftklässerinnen Ezra Refolo und Chiara Brocco mit dem Schulleiter Wolfgang Gerhardt. | Foto: Schilp
  • Die Zwölftklässerinnen Ezra Refolo und Chiara Brocco mit dem Schulleiter Wolfgang Gerhardt.
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Aktiv gegen Diskriminierungen vorgehen: Dazu haben sich 98 Berliner Schulen verpflichtet. Sie dürfen den Titel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ tragen und sind Teil eines europaweiten Netzwerkes. Das Albert-Einstein-Gymnasium an der Parchimer Allee 109 gehört seit drei Jahren dazu.

Die Initiative ging damals allein von den Schülern aus. „Und ich fand’s sofort gut“, erzählt Schulleiter Wolfgang Gerhardt. Völlig überraschend kam das Engagement der Jugendlichen für ihn nicht: „Wir haben traditionell eine gesellschaftspolitisch interessierte Schülerschaft. Sie will den Alltag mitgestalten und über den eigenen Tellerrand schauen – das ist das Beste, was passieren kann.“ Chiara Brocco und Ezra Refolo sind zwei von dem knappen Dutzend, das sich regelmäßig in der Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ trifft.

Hauptaufgabe ist es, den jährlichen ganztägigen Aktionstag vorzubereiten, Referenten zu organisieren, Workshops auf die Beine zu stellen. Dabei geht es beispielsweise um Themen wie Fremdenhass oder Homophobie. Aber auch Capopeira stand schon auf der Agenda, ein traditioneller Kampftanz, den nach Brasilien verschleppte afrikanische Sklaven entwickelten. „In diesem Jahr haben wir Workshops auch jahrgangsübergreifend angeboten, um mehr Verbindungen zwischen den jüngeren und älteren Schülern zu schaffen, das finden wir sehr wichtig“, so Chiara.

Grundsätzlich gebe es am Einstein-Gymnasium „erstaunlich wenig“ Mobbing oder Konflikte, erzählen die beiden jungen Frauen. Eine der Ursachen für diese positive Tatsache sehen sie im bunten Mix der Schülerschaft. Der ist in der Tat erstaunlich: In der deutsch-italienischen Europaschule besucht etwa ein Drittel der rund 1100 Kinder und Jugendlichen den zweisprachigen Zweig, viele von ihnen haben italienische Wurzeln. Ein weiteres Drittel ist muslimischer Herkunft, oft mit deutschem Pass, das andere Drittel besteht aus Deutschen und Schülern aus Russland, Bangladesch, Georgien, und, und, und. „Das Schönste ist, dass bei uns ein Miteinander gelingt, weil es alles gibt. Man muss einfach aufeinander zugehen, um gut zurechtzukommen“, sagt Wolfgang Gerhardt.

Also alles eitel Sonnenschein? Natürlich nicht immer, räumt Ezra ein. „Wenn es Konflikte gibt, schreiten wir ein. Aber das steht im Schulleben nicht im Vordergrund.“ Um aufkommende Probleme möglichst schnell zu lösen, gibt es zudem die „Buddys“, ausgebildete und von Lehrern begleitete Schüler ab der 8. Klasse. Jeweils zwei von ihnen sind einer Klasse zugeordnet. „Fühlt sich zum Beispiel ein Schüler von einem anderem beleidigt, kann er das im Klassenrat besprechen, oder er wendet sich an einen Buddy. Dann wird überlegt: Was machen wir? Brauchen wir eine Mediation? Ist das Problem so komplex, dass die Schulleitung einbezogen werden muss?“, erklärt Gerhardt.

Daneben hat das Albert-Einstein-Gymnasium einen musischen Schwerpunkt. Es wird Theater gespielt, im Chor gesungen, auch das fördere Integration, so Gerhardt. „Richtig, Kunst verbindet“, sagen Ezra und Chiara. Und fast überrascht bestätigen sie die Aussage ihres Schulleiters, dass die Zeichnungen, Gemälde und Collagen aus Kunst-Kursen, die auf den Fluren hängen, noch kein einziges Mal beschädigt worden sind.

Es gibt noch mehr Aktionen: Seit Jahren besteht eine Partnerschaft mit einer namibischen Schule in Windhoek samt Schüleraustausch. Die Reise der afrikanischen Jugendlichen wird finanziell von den Engagierten des Einstein-Gymnasiums unterstützt. Die Gesamtschülervertretung fährt jedes Jahr für ein paar Tage zum politischen Seminar an den Wannsee, oft arbeitet sie dabei mit Amnesty International zusammen. Im Englischunterricht werden Schreiben an unterschiedliche Regierungen verfasst, die – ebenfalls im Namen von Amnesty – die Freilassung von politischen Gefangenen fordern.

Was Ezra und Chiara ein wenig Sorge bereitet: Sie machen nächstes Jahr Abitur, und der Staffelstab muss weitergereicht werden. „Die Jüngeren sind relativ schwer zu erreichen, die müssen hier erst mal ankommen. Ein Interesse an dieser Arbeit beginnt meistens nicht vor der 10. Klasse“, erklärt Chiara. Doch sie ist zuversichtlich, dass sich würdige Nachfolger finden. Lesen sie mehr dazu auf unserer Seite Berlin engagiert.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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