Mit Inu bricht das Eis
Im Adaptionshaus erproben Menschen ein Leben ohne Suchtmittel

Inu ist ein Mix aus Labrador und Border Collie. An ihrer Seite Herrchen Benjamin Igel (l.) und Daniel Hackenberg. | Foto: Schilp
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Das Adaptionshaus der gemeinnützigen Gesellschaft Tannenhof Berlin-Brandenburg im Dröpkeweg 10 bietet Frauen und Männern ein Zuhause auf Zeit, die auf dem Weg in ein suchtfreies Leben sind. Neben den menschlichen Therapeuten gehört auch die viereinhalb Jahre alte Hündin Inu fest zum Team.

Sie war kaum dem Welpenalter entwachsen, als ihr Herrchen, Suchttherapeut Benjamin Igel, sie mit zur Arbeit nahm. Es sei ganz egal, ob jemand Hunde möge oder nicht, jeder fühle sich einfach sicherer mit einem Vierbeiner in der Nähe, sagt er. „Stress wird abgebaut, eine Minute lang einen Hund streicheln wirkt wie eine menschliche Umarmung.“ Er erinnert sich zum Beispiel an eine Rehabilitandin, die sehr aufgebracht zum Gespräch kam: Inu legte sich auf ihre Füße – und die Anspannung verschwand.

Stimmungen gespiegelt

Die Hündin spiegele aber auch Stimmungen, ist eine Gruppe unruhig, sei sie ebenfalls nervös. „Und wenn ich einen wirklich anstrengenden Tag hatte, ist auch sie fix und fertig“, erzählt Igel. Vor allem aber wirke die kleine Schwarze mit dem glatten Fell als Eisbrecherin, es gebe immer sofort ein Gesprächsthema. Viele der rund 40 Bewohner haben oder hatten schließlich selbst einen Hund.

„Inu ist tatsächlich bei uns angestellt, sie bekommt auch einen kleinen Bonus“, sagt Daniel Hackenberg, Leiter des Bereichs Sozialarbeit. Er weiß um die Wirkung der tierischen Unterstützer, sein eigener Vierbeiner war jahrelang mit ihm zusammen im Einsatz. Nicht nur die Rehabilitanden profitierten von der Anwesenheit eines Hundes, sondern das ganze Team, sagt er.

Abstinenz im Alltag beweisen

Menschen aus ganz Deutschland kommen ins Adaptionshaus und bleiben drei bis vier Monate. Sie haben die erste Reha-Phase hinter sich. Nun stehen sie vor der Herausforderung, die gewonnene Abstinenz von Alkohol, Medikamenten oder illegalen Drogen unter Alltagsbedingungen aufrechtzuerhalten. „Während sie in der ersten Phase ganz viel in Gemeinschaft sind, gibt es bei uns Einzel-Apartments. Die Rehabilitanden versorgen sich selbst, manche kochen zum ersten Mal“, so Hackenberg.

Zwischen 18 und Anfang 60 sind die Bewohner alt. Bezahlt wird der Aufenthalt von der Rentenkasse. Ziel ist, sie für den Arbeitsmarkt fitzumachen. Deshalb absolvieren sie auch alle ein Berufspraktikum. Einige suchen sich selbstständig eine Stelle, andere brauchen Unterstützung. „Manche haben schon Probleme, irgendwo anzurufen“, sagt Hackenberg.

Raus ins Leben

Auf dem Programm stehen Gespräche innerhalb der Bezugsgruppe und selbstverständlich mit den Therapeuten. Ganz wichtig ist es jedoch ebenfalls, dass die Rehabilitanden rausgehen. Nicht nur zur Arbeit. Nach dem Job können sie in der Stadt unternehmen, wonach ihnen der Sinn steht. Um Mitternacht sollten sie jedoch wieder da sein. „Wir wollen, dass sie zufrieden sind und Spaß haben. Und sie müssen Dinge ausprobieren. Auf ein Konzert gehen, ohne ein Bier zu trinken, zum Beispiel“, so Benjamin Igel. In Nicht-Corona-Zeiten ist es übrigens nach Anmeldung auch erlaubt, am Wochenende Übernachtungsgäste zu beherbergen.

Ist die Zeit im Adaptionshaus abgelaufen, kehren die Rehabilitanden in die eigenen vier Wände zurück – falls es die gibt. Manche bleiben am Dröpkeweg, dort stehen einige betreute Wohnungen zur Verfügung. „Auf die Straße entlassen wir niemanden, und wenn es erst einmal nur ein Übergangsheim ist“, betont Hackenberg.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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