In Gatow wächst eine lokale Rarität
Aufrechter Stamm, winzige Früchte: Die Gatower Pyramidenpflaume

Das Fruchtfleisch der winzigen Pflaumen lässt sich nur schwer vom Steinkern lösen. Weshalb sie nur für die Saft- oder Schnapsverarbeitung taugen.   | Foto: Ulrike Kiefert
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  • Das Fruchtfleisch der winzigen Pflaumen lässt sich nur schwer vom Steinkern lösen. Weshalb sie nur für die Saft- oder Schnapsverarbeitung taugen.
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Äpfel sind in aller Munde. Birnen auch. Die Früchte der „Gatower Pyramidenpflaume“ aber kennt kaum einer. Entdeckt hat den wundersamen Baum Andreas Kalesse vom Arbeitskreis (AK) Gatow.

Mit ihrem kerzengeraden Stamm ähnelt sie eher einer Pappel als einer Pflaume. Auch die ausladende Krone geht ihr gänzlich ab, ganz zu schweigen von den auffallend kleinen Kugeln, die an den Ästen hängen. In einem Wort, die „Gatower Pyramidenpflaume“ ist durchaus exotisch.

Entdeckt hat sie Andreas Kalesse, der den „AK Gatow“ mitbegründet hat. Der feiert gerade sein 40. Jubiläum und hat deshalb beschlossen, die „Gatower Pyramidenpflaume“ als lokale Besonderheit bekannt zu machen. „Endlich“ muss man da sagen, denn Andreas Kalesse hat den Obstbaum schon vor 40 Jahren zufällig in der Feldflur der Gatower Heide gefunden. Damals gab es Bebauungspläne für große Teile der Gatower Kulturlandschaft, was die spontan gegründete Bürgerinitiative „Arbeitskreis Rieselfelder“ (heute AK Gatow) verhindern wollte. Weshalb sich Andreas Kalesse die Feldflur etwas genauer anschaute. Was wächst dort alles, was macht die Landschaft so einzig? „So entdeckte ich den Baum“, erzählt Kalesse. Genau genommen waren es fast 20 Bäume, die an dem 1844 angelegten Feldweg, der heutigen Straße 269 stramm in die Höhe wuchsen. Der Gatower wusste sofort, dass er hier einen botanischen Schatz, vielleicht sogar eine Rarität entdeckt hatte. „Es war eine Prunus domestica, aber ihr gerader Wuchs und die fehlende buschige Krone waren ganz untypisch für einen Pflaumenbaum.“

Unbekannte Pflaumenart

Wieder zu Hause recherchierte er, wälzte Fachliteratur, verglich Fotos. Sein eigenes botanisches Wissen half ihm dabei. Denn Andreas Kalesse, der die letzten 27 Jahre Potsdams Oberster Denkmalpfleger war, hatte nach der Schule zunächst eine Gärtnerlehre absolviert, danach unter anderem Landschaftsplanung studiert und freiberuflich als Gutachter und Planer auf den Gebieten des Naturschutzes und der Garten- und Baudenkmalpflege gearbeitet. Mit Urobst-Arten wie Prunus, Pyrus oder Malus kennt sich Kalesse also aus. Doch die Nachforschungen zu seiner Entdeckung brachten über Jahrzehnte keine Ergebnisse. Diese spezielle Pflaume war einfach keiner Unterart zweifelsfrei zuzuordnen.

Trotzdem wollte Andreas Kalesse die „Gatower Pyramidenpflaume“ – so hatte er den Baum wegen seines Wuchses getauft – unbedingt schützen und weiter erforschen. Er stach den Urbäumen einige Wurzelausläufer ab, zog die Ableger in Töpfen vor und pflanzte sie mit Horst Kühn in der Baumschule des AK Gatow an. Dort gedeihen acht der Zöglinge heute prächtig. Weitere Exemplare pflanzten die Gatower in der Pflaumenallee. Sie brauchen wenig Wasser und kaum Pflege. Andere Kulturpflaumen müssen hingegen regelmäßig gewässert und beschnitten werden. Noch ein Unterschied: Die Früchte der Pyramidenpflaume reifen schon ab Juni, nicht erst im Juli oder August. Sie schmecken fruchtig, süßlich, wie eine Pflaume eben so schmeckt, sind aber kaum größer als ein Daumennagel. „So kleine Pflaumen habe ich vorher noch nie gesehen“, sagt Kalesse.

Kulturobst aus Südosteuropa

Dass die „Gatower Pyramidenpflaume“ tatsächlich eine Rarität sein könnte, bestätigte vor wenigen Wochen die archäologische Abteilung des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege. Die nämlich ließ wissen, dass es sich bei dem Baum mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Spilling (Prunus domestica subsp. pomariorum) handelt. Der Spilling ist ein Kulturobst Südosteuropas und wurde auch in Deutschland gepflanzt, allerdings nur bis zirka 1900. Ob das der letzte Erkenntnisstand ist? Andreas Kalesse hat da so seine Zweifel, denn ihm ist das zu ungenau. Die Fachliteratur kenne zwar viele Spillinge, sagt er. Der Pyramidenpflaume gleiche jedoch keiner.

Derweil sterben die Altbäume am Fundort langsam ab. Andreas Kalesse schätzt ihr Alter auf etwa 90 Jahre. Aussterben wird Pyramidenpflaume deshalb aber noch lange nicht. Die Bäume haben sich „vermehrt“, neben ihnen wachsen rechts und links zahlreiche Jungbäume, kerzengerade wie die Alten. Andreas Kalesse ist freudig überrascht. „Die jahrzehntelange Mühe, diese Pflaumensorte zu schützen, hat sich gelohnt. Jetzt kann sich die nächste Generation an ihr erfreuen und weiterforschen.“ Und notfalls gibt es ja noch die Genreserve in der Baumschule. Das Fruchtfleisch der winzigen Pflaumen lässt sich nur schwer vom Steinkern lösen. Weshalb sie nur für die Saft- oder Schnapsverarbeitung taugen.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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