Syrer werden Industriemechaniker bei der Berliner S-Bahn
Niederschöneweide. Seit fast 90 Jahren werden in der Hauptwerkstatt der S-Bahn Berlin GmbH am Adlergestell S-Bahnzüge gewartet und repariert. Von Anfang an stand auch die Ausbildung auf der Tagesordnung. Jetzt bekommen dort mehrere Flüchtlinge eine Chance.
Bilal Saadi (28) und Atzal Awan (20) sind vor dem Krieg aus Syrien geflohen. Nach einem mehrmonatigem Praktikum haben sie jetzt einen Ausbildungsvertrag, sie sind angehende Industriemechaniker. In der Ausbildungswerkstatt arbeiten sie unter anderem Stromabnehmer für S-Bahnzüge auf. Seit 1. September sind die beiden Syrer zusammen mit weiteren Flüchtlingen in der Ausbildung.
„Hier in der Werkstatt arbeiten unsere Azubis aber nicht unter einer Käseglocke. Sie erledigen selbstständig alle Montage- und Prüfarbeiten an den Stromabnehmern, bis hin zur Qualitätsprüfung am Ende der Arbeiten“, erläutert Ausbildungsleiter Michael Hallmann.
Für Bilal Saadi erfüllt sich in der Lehrwerkstatt ein Traum. In Syrien hatte er neun Jahre die Schule besucht und danach als Polsterer gearbeitet. Dann sollte er Soldat werden und floh via Libanon nach Deutschland. „Als ich in Europa ankam, konnte ich kaum die lateinischen Buchstaben lesen. Inzwischen komme ich ganz gut mit der deutschen Sprache zurecht“, sagt der Azubi.
Um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, hat die Deutsche Bahn ein Programm aufgelegt. Bundesweit werden derzeit 120 junge Leute qualifiziert, weitere 150 sollen in den nächsten zwei Jahren dazu kommen. Im Rahmen des Programms „Chance Plus für Flüchtlinge“ steht am Anfang ein sechs- bis zwölfmonatiger Kurs mit Deutschunterricht und einer betrieblichen Praxisphase. Den haben auch die beiden Syrer durchlaufen. Gemeinsam mit weiteren neun Teilnehmern befinden sie sich jetzt in der regulären Berufsausbildung. Weitere sechs Teilnehmer durchlaufen bereits in der S-Bahnwerkstatt die „Chance Plus“-Klasse, auch sie wollen in wenigen Monaten mit der Ausbildung beginnen.
Die Ausbildung für Flüchtlinge bei der Deutschen Bahn könnte die Blaupause für die Integration von Flüchtlingen – auch in anderen Ländern der Europäischen Union – werden. Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hat kürzlich gemeinsam mit der Europaabgeordneten Sylvie Goulard (Liberale) die Ausbildungsstätte am Adlergestell besucht und sich dort ein Bild von der Integration in den Arbeitsprozess gemacht. RD
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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