Leben, wo andere baden gehen
Thomas Röske und Edith Stehlin wohnen auf dem Gelände des Strandbads Wannsee

Edith Stehlin hat in ihrem Fotoalbum wahre Schätze gesammelt. Thomas Röske will sie in digitalisierter Form zugänglich machen. | Foto: Ulrike Martin
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Im Sommer ist es laut und bunt, im Winter gibt es blassere Farben und Stille. „Was hörst du?“, fragt sich Thomas Röske dann und gibt sich selbst die Antwort: „Nichts“. Er hat eine ganz besondere Adresse – Wannseebadweg 25.

Thomas Röske war gerade mal drei Wochen alt, als sein Vater Klaus 1966 als Strandbadleiter mit der Familie in die Wohnung im Eingangsgebäude des Strandbads Wannsee einzog. „Wir hatten die ganze erste Etage für uns, mein zwei Jahre jüngerer Bruder und ich bekamen jeder ein eigenes Zimmer. Das war toll“, erzählt er. Seinen Alltag als Kind beschreibt er mit wenigen Worten: „Nach dem Frühstück sind wir raus und erst abends wieder zurückgekommen.“ Im Grünen spielen und toben, den ganzen Tag lang, besser ging es nicht. Er kannte auch „normale“ Wohnungen von Freunden, wusste aber von Anfang an sein Leben am Ufer des Wannsees zu schätzen. „Ich war ja nicht abgeschnitten. Im Gegensatz zu heute, wo es nur in den Sommerferien einen Bus zum S-Bahnhof gibt, fuhr damals die Linie 3 jeden Tag.“

Nach 50 Jahren wieder eingezogen

Röskes Eltern ließen sich 1980 scheiden. Er zog mit seiner Mutter nach Marienfelde, später wohnte er lange Jahre in Zehlendorf und in Buckow. „Anfang 2016 hörte ich, dass eine Wohnung im Strandbad-Gebäude zu vermieten ist und wollte unbedingt wieder dort leben. Es hat geklappt.“ Am 1. Dezember 2016 konnte er einziehen. Auf den Tag genau 50 Jahre nach dem ersten Einzug. „Ich war so happy.“

Beim Gespräch mit der Berliner Woche sitzt Röske ein paar Meter von seiner Wohnung entfernt im Garten von Edith Stehlin. Sie ist ebenfalls ein bekennender Strandbad-Fan. Die 84-Jährige lebt seit 1977 in einem von mehreren kleinen Holzhäusern, die 1926 zeitgleich mit den Sonnendecks, dem Wandelgang und der Ladenzeile im Stil der neuen Sachlichkeit auf dem Gelände gebaut wurden. Das Häuschen trägt sogar ihren Namen. Es ist nach Wilhelm Stehlin benannt, der seit Eröffnung des Bades 1907 als Schwimmmeister und Mädchen für alles arbeitete. Anlässlich seiner Verdienste wurde das Haus für ihn errichtet und an ihn vermietet. Sohn Max, ebenfalls Schwimmmeister und mit Edith verheiratet, wurde Nachmieter. Seit seinem Tod 2010 lebt Edith dort alleine.

Vom Sitzplatz vor dem Haus geht der Blick weit übers Wasser – das pure Idyll. Mit ihrem Nachbarn ist sie sich einig: „Wir lieben dieses Bad.“ Röske, der als Berufschauffeur tätig ist, ergänzt: „Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, habe ich jeden Tag aufs Neue Urlaub.“

Internetportal mit historischen Fotos

Mit der Schwärmerei ist es für die beiden aber nicht getan. Sie engagieren sich für „ihr“ Bad. Röske hat eine private Webseite ins Netz gestellt. Auf https://www.strandbad-wannsee-berlin.de/ gibt es ein Archiv, aktuelle Infos, alte und neue Fotos. „Ich will nach und nach weitere Aufnahmen digitalisieren und auf die Seite stellen“, erzählt er.

Die historischen Fotos hat Edith gesammelt. Zu sehen sind Wachtmeister mit Pickelhaube bei der Strandkontrolle, Bademeister mit Flüstertüte, Frauen im Badeoutfit der 1960er-Jahre oder der Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch, der mal zu Besuch war. Auch wahre Schätze finden sich im Album: Fotos aus der Anfangszeit, als der Strand nur 250 statt wie heute 1250 Meter lang war, Aufnahmen von einer antiquierten Wasserrutsche von 1926 oder das voll besetzte Restaurant Lido, als es noch in Betrieb war.

Das Konzept der Unternehmerin Antje Lange das Strandbad für einen Ganzjahresbetrieb mit Wellness, Veranstaltungshalle und einem restaurierten Lido auszubauen, findet Zustimmung. „Schließlich war hier früher schon Betrieb im Winter“, sagt Röske und zeigt weitere Fotos. Dort, wo heute die Treppen ins Bad führen, gab es eine Rodelbahn, und bei Minusgraden fanden sich Eissegler auf dem zugefrorenen Wannsee ein.

Sowieso sei es ärgerlich, dass so wenig geschehe: „Die Sonnendecks sind gesperrt, überall stehen Zäune, vieles verfällt.“

Wie großartig die Pläne in der Vergangenheit waren, zeigt eine andere alte Aufnahme: ein Entwurf aus dem Jahr 1926 präsentiert ein Strandbad, das bis zur Ronnebypromenade reicht.

Die Nachbarn Röske und Stehlin würden sich über eine Belebung des Strandbads auf jeden Fall freuen. Genug Ruhe werde es trotzdem geben, spätestens in den Abendstunden, davon sind sie überzeugt. Und der Blick über den See und die Landschaft bleibt – er ist unverbaubar.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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