Die Ortsgeschichte von Manfred Baltuttis
Ortschronist zeigt seine Funde in einer Ausstellung zum Staakener Jubiläum
Wenn diese Zeilen erscheinen, ist Manfred Baltuttis (79) wahrscheinlich gerade dabei, seine Ausstellung aufzubauen. Sie wird anlässlich des Jubiläums 750 Jahre Staaken in der sogenannten Hütte, einem kleinen Gebäude auf dem Gelände der Dorfkirche an der Hauptstraße gezeigt. Am 25. März um 10 Uhr ist die Eröffnung.
Beim Gespräch mit dem Spandauer Volksblatt eine Woche vor dem Aufbau sind die meisten seiner Exponate noch in Mappen verschnürt. Meist handelt es sich um Bilder aus verschiedenen Epochen der Staakener Ortsgeschichte. „Die ältesten stammen aus dem 19. Jahrhundert“, sagt Manfred Baltuttis. Weitaus älter ist das Herzstück seiner Schau, das er unverschnürt mitgebracht hat: Ein Faksimile des Textes der ersten urkundlichen Erwähnung Staakens vom 26. März des Jahres 1273. Das Original befinde sich im Preußischen Geheimen Staatsarchiv. Davon habe eine Kopie gezogen, ebenso von der deutschen Übersetzung des in Latein formulierten Ursprungstextes.
Manfred Baltuttis ist Staakener Ortschronist. Seit 30 Jahren betreibt er dieses Hobby, das inzwischen mehr als ein Hobby geworden ist. Er sammelt Bilder und hat selbst viele Aufnahmen in den vergangenen drei Jahrzehnten gemacht. Er recherchiert zur Staakener Historie, tauscht sich dabei auch mit dem ehemaligen Pfarrer Norbert Rauer aus, der als wandelndes Gedächtnis des Ortsteils gilt und am 25. März auch die Festansprache zum Jubiläum hält. Auch viele Zeitzeugen hat er im Laufe der Jahre befragt und von ihnen neben Fotos und anderem Material auch viele Anekdoten erzählt bekommen hat. Sie handeln häufig von der Zeit als Staaken, wie Berlin, geteilt war. Gerade hinsichtlich dieser Epoche ist Manfred Baltuttis auch Chronist in eigener Sache mit seiner persönlichen Ortsgeschichte.
Er wurde zwar 1943 in Charlottenburg geboren, hat aber die ersten neun Lebensjahre in West-Staaken verbracht. Am Fahrlander Weg habe der Großvater einst ein Grundstück erworben. Als West-Staaken im Februar 1951 von der DDR-Volkspolizei besetzt wurde, entschloss sich die Familie zur Flucht, die ein Jahr später erfolgte. Sie endete zunächst nur wenige Kilometer entfernt am Spandauer Grüngürtel.
Manfred Baltuttis wurde Techniker, hat bei Siemens gelernt und gearbeitet, war später bei der Post und wohnte in Reinickendorf. Nach der Wiedervereinigung erhielt seine Familie ziemlich schnell ihr Eigentum am Fahrlander Weg zurück. Er zog dort nach 40 Jahren wieder ein. Zu den Bewohnern während der DDR-Zeit hätte ein sehr linientreuer Genosse gehört, aber auch eine Familie, die in diesem Haus ihre Republikflucht plante. Dies hat der Chronist später herausgefunden. Mit den Recherchen in eigener Sache begannen auch die Nachforschungen zu Staaken.
Teile dieser Erkenntnisse liegen in den zunächst verschlossenen Mappen, die in der Ausstellung zu sehen sind. Sie sind beschriftet mit Flugplatz, Zeppelin, Gartenstadt, Bahnhofstraße (der heutige Nennhauser Damm) oder Grenze. Nach dem Öffnen breitet Manfred Baltuttis die vielen Fotos aus. Sie zeigen Postkartenmotive aus dem alten Staaken, das riesige Flugplatzgelände, die Szenerie an der Kontrollstelle vor der Einreise in die DDR. Viele Bilder hat er mit Anmerkungen markiert, zum besseren Verständnis, was einst wo war.
Gerade das Thema Grenze beschäftigt ihn bis heute – auch wegen des persönlichen Hintergrunds. Zu Jahrestagen des Mauerfalls habe er häufig Ausstellungen in der Schule gemacht. Auch viele Geschichten aus dieser Zeit kann er beisteuern. Manche spielen noch in den Jahren vor dem Mauerbau 1961, als die Teilung Staakens zwar schon vollzogen, der Betonwall aber noch nicht errichtet war. Eine dieser Erzählungen handelt von den Bewohnern an der Ost-Seite des Nennhauser Damms und damit West-Berlins, die nach Bauarbeiten auf ihrem Grundstück den Schutt auf der anderen Straßenseite und damit in West-Staaken, DDR, ablegten. Um die illegale Entsorgung zu ahnden, habe es eine Intervention der Sowjetunion bei der für den Bezirk Spandau zuständigen britischen Schutzmacht bedurft, die wiederum den Fall an die West-Berliner Polizei weitergegeben habe.
Manfred Baltuttis kann viel über Staaken erzählen. Auch aktuelle Veränderungen entgehen ihm nicht. Vor Kurzem war er wieder auf dem ehemaligen Krankenhausgelände, auf dem ein neues Wohngebiet entstanden ist. Das Viertel habe zwar viele neue Bewohner, doch deren Interesse an der Historie des eigenen Lebensmittelpunktes nehme immer mehr ab. Warum das so ist, dafür hat auch er keine abschließende Erklärung. Vielleicht liege das daran, dass die Menschen heute mit genügend anderen Fragen konfrontiert seien.
Generell wurde dem 750. Geburtstag von Staaken weniger Aufmerksamkeit geschenkt als zu wünschen gewesen wäre. Von Bezirksseite gab es nur eine finanzielle Beteiligung am offiziellen Festakt am 26. März. Dass das Jubiläum nicht völlig in Vergessenheit geriet, ist der Kirchengemeinde Staaken und dem Freundeskreis der Dorfkirche zu verdanken, die ein einwöchiges Festprogramm auf die Beine gestellt haben. Zu den Organisatoren gehörte auch Manfred Baltuttis. Seine Ausstellung ermöglicht dem Besucher einen leichten Einstieg in die besondere Geschichte von Staaken.
Der Dorfchronist hat aber nicht nur diesen Beitrag zur Festwoche geleistet. Der Briefmarkensammler ist Vorsitzender der Jungen Briefmarkenfreunde in Berlin und Brandenburg. Auch diese Passion wurde Teil des Programms. Am 26. März von 10 bis 16 Uhr hat im Gemeindehaus an der Dorfkirche ein Sonderpostamt geöffnet. Verkauft werden dort Sondermarken mit Staaken-Motiven. Außerdem gibt es einen Sonderpoststempel 750 Jahre Staaken.
Und wo ist sein Lieblingsplatz in Staaken? Da könne er keinen nennen, sagt Manfred Baltuttis. Welche Sehenswürdigkeit des Ortsteils würde er aber einem Fremden empfehlen? Da fielen ihm viele ein, sagt Baltuttis und lächelt: die Dorfkirche, Fort Hahneberg, das Flugplatzgelände, die Gartenstadt und auch die Neubaugebiete. Wer allein diese Tipps beherzige, „hat schon genug zu tun.“
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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