Prinzennamen und ein See sind weg: Wechselvolle Geschichte eines Viertels

Die Liepnitzstraße war einst eine der Prinzenstraßen: Sie heiß nach dem dritten Sohn des letzten deutschen Kaiserpaars Prinz-Adalbert-Straße. | Foto: Berit Müller
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  • Die Liepnitzstraße war einst eine der Prinzenstraßen: Sie heiß nach dem dritten Sohn des letzten deutschen Kaiserpaars Prinz-Adalbert-Straße.
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Wer heimatgeschichtlich nicht so bewandert ist, stellt sich beim Spaziergang durch Karlshorst mindestens zwei Fragen. Warum heißt der Kiez zwischen Treskowallee und Blockdammweg eigentlich Prinzenviertel? Und womit verdient die Grünanlage mittendrin den Namen Seepark, obwohl es dort nicht mal einen Tümpel gibt?

Über häufigen Nachwuchs, sechs Söhne und eine Tochter, durften sich Kaiser Wilhelm II. und seine Gattin Auguste Viktoria zwischen 1882 und 1892 freuen. Wie das Paar seine männlichen Nachkommen taufen ließ, war in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auf Karlshorster Straßenschildern zu lesen. Geblieben ist nur der Name eines Viertels.

Der Reihe nach: Im Jahr 1893 gründeten ein Rechtsanwalt, ein Graf und ein Papierfabrikat in Berlin die Bauvereinigung „Eigenhaus“. Deren erklärtes Ziel war es, Land für den Wohnungsbau zu erwerben – zu besonders günstigen Konditionen für weniger betuchte Familien. So erstand der Zusammenschluss ein 60 Hektar großes Gelände im Süden von Friedrichsfelde, zu beiden Seiten der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn-Trasse. Aus der Bauvereinigung wurde eine Aktien-Gesellschaft, die das Terrain im Grundbuch auf den Friedrichsfelder Gemeindevertreter Oscar Gregorovius eintrug. Er erhielt sämtliche Vollmachten für die Bebauungsplanung.

Gregorovius zeichnete verantwortlich für die Erschließung und Bebauung der neuen Siedlung Carlshorst westlich der heutigen Lehndorffstraße bis hin zur Grenze von Rummelsburg. Der Baumeister entwarf eine Kolonie in rechtwinkligem Grundriss mit nahezu gleichgroßen Parzellen. Am 28. Mai 1894 wurde der Grundstein für die ersten Häuser in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße gelegt. Das Projekt finanzierte eine Stiftung der kaiserlichen Familie, die Wohnungen gingen an bedürftige Familien, vor allem an Eisenbahnbedienstete aus Friedrichsfelde.

Zu den Straßen, die als erstes bebaut und benannt wurden, zählten neben der Kaiser-Wilhelm- und der Kaiserin-Auguste-Straße die Prinz-Heinrich-, Prinz-Friedrich-Wilhelm-, Prinz-Eitel-Friedrich-, Prinz-Adalbert, Prinz-August-Wilhelm-, Prinz-Oskar und Prinz-Joachim-Straße. Alle sechs Söhne des letzten deutschen Kaiserpaares kamen zu Ehren. Noch heute heißt das Wohngebiet zwischen Treskowallee und Blockdammweg daher Prinzenviertel, obwohl die Namen der kaiserlichen Sprösslinge längst von den Straßenschildern verschwunden sind.

Die Kaiser-Wilhelm-Straße wurde bereits im Jahr 1934 umbenannt – nach dem preußischen General Heinrich von Lehndorff. Sowohl den Namen der Kaiserin als auch die ihres Nachwuches strich man zu DDR-Zeiten aus dem Straßenregister. Die Auguste-Viktoria-Straße hat seit 1951 den Mediziner und Nobelpreisträger Paul Ehrlich zum Patron. Im gleichen Jahr erhielten die Prinzenstraßen neue Bezeichnungen, überwiegend Namen von Gewässern, die nördlich der Hauptstadt liegen: Wandlitz-, Üdersee-, Liepnitz-, Stechlin-, Müritz- und Grimnitzstraße. Nur der heutige Traberweg, einst die Prinz-Friedrich-Wilhelm-Straße, erinnert an die Pferderennsporttradition im Ort.

Nichts mit brandenburgischen Gewässern zu tun hat der Seepark im Prinzenviertel. Die Grünanlage zwischen Trautenauer- und Liepnitzstraße wurde im Jahr 1913 angelegt – und zwar tatsächlich um einen kleinen See herum. Ursprünglich füllte das Gewässer sogar fast das ganze Areal des heutigen Parks aus, mit einer schilfbewachsenen Mittelinsel als Blickfang. Der See war mit den Feuchtgebieten und dem Lauf der wasserreichen Rohrlake entstanden, die sich einst von der Wuhlheide bis nach Klingenberg hinzog und dort in die Spree mündete. Weite Wiesenflächen, hohe Pappeln, Gehölze, Rosenbeete, Brunnen, Wandelgänge und eine attraktive Ufergestaltung prägten früher den Seepark. Treppen und Aufschüttungen gliederten die Anlage. Im Winter diente der Teich als Eislauffläche, am Anstieg zur Trautenauer Straße rodelte der Nachwuchs. Doch schon 1928 musste die Sohle des Sees mit Beton abgedichtet werden, weil der Grundwasserspiegel sank und der Tümpel einzutrocknen drohte.

Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs verschwanden der Park und die Senke zwischen Stechlin- und Müritzstraße völlig. Anfang der 1950er-Jahre wurde das Becken samt der noch vorhandenen Betoneinfassung zugeschüttet. Im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks entstand bis 1955 eine neue Grünanlage: der heutige Seepark mit einer großen Wiesenfläche, Spielplatz, Baumgruppen und Sitzgelegenheiten – allerdings ganz ohne Wasser.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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