Ein Schuhputzer und sein Leiden an Corona
Nur auf leisen Sohlen unterwegs

Kai Bruchmann mit seinem Arbeitsmaterial. | Foto: Thomas Frey
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  • Kai Bruchmann mit seinem Arbeitsmaterial.
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Sein Equipment passt in eine Tasche. Kai Bruchmann breitet ihren Inhalt aus. Lappen und Bürsten, mehrere Schuhcremes, auch „den Ferrari in dieser Kategorie“, einen Schemel. In Berufskleidung war der 52-Jährige bereits erschienen. Schwarze Hose und Weste, ein weißes Hemd. Dazu die obligatorische Fliege.

So geht Kai Bruchmann normalerweise seiner Arbeit nach. Als Schuhputzer, beziehungsweise ganz genau „Event-Schuhputzer“. Sein Problem: Events gibt es derzeit höchstens dosiert. Und damit auch keine Nachfrage für seine Dienstleistung. Das trifft aktuell auf viele Branchen zu. Gerade auf den Veranstaltungsbereich wird in diesem Zusammenhang immer wieder hingewiesen. Dass dazu auch jemand wie Kai Bruchmann gehört, haben aber wahrscheinlich die wenigsten auf dem Schirm.

Schuhe putzen auf Kongressen

Er hat aus einer Tätigkeit, mit der so ziemlich alle von uns regelmäßig konfrontiert werden, eine Geschäftsidee entwickelt. Er putzt Schuhe, wo immer das gewünscht wird. Bei privaten Partys, Hochzeits- oder Weihnachtsfeiern ebenso, wie als Programmpunkt beim Get Together eines Kongresses. Bei Sportvereinen, in Einkaufszentren und nahe liegend, auch gerne in Schuhgeschäften. So lief das zumindest bis Corona kam.

Das Gewerbe betreibt er seit mittlerweile neun Jahren. Erste Versuche reichen allerdings weitaus länger zurück. Ende der 1990er Jahre habe er in einem Hotel in Hamburg gearbeitet, erzählt Bruchmann. Da wollte die Geschäftsführung einen Schuhputz-Service im Haus einrichten. Er habe sich dafür gemeldet, aber sonst niemand aus dem Kollegenkreis. Weshalb das Vorhaben nicht umgesetzt wurde. Einige Jahre später lebte er in Niederachsen und versprach einer Bekannten eine Benefiz-Einlage beim Sammeln von Geld für krebskranke Kinder in ihrem Verein, als Schuhputzer.

Kai Bruchmann hatte
einige Rückschläge zu verkraften

Bevor das Hantieren mit Creme und Bürsten schließlich seine Profession wurde, waren einige berufliche Rückschläge zu verkraften. Er habe sich an vielem versucht, vom S-Bahnreiniger, über Catering oder Kunst, aber alles nicht wirklich erfolgreich oder befriedigend. Das Reinigen von Fußbekleidung als Event anzubieten, sei damals sozusagen der letzte Pfeil im Köcher gewesen. Aber mit dem habe er ins Schwarze getroffen.

Der gebürtige Hermsdorfer ging zunächst daran, sich in Reinickendorf eine Basis aufzubauen. In vielen Fällen auch erst einmal konstenlos, um zumindest bekannt zu werden. Kunden aus dem Bezirk sind bis heute stark vertreten. Aber mittlerweile auch viele aus Berlin oder anderen Gegenden der Bundesrepublik.

Vor Turnieren lassen sich
Reitsportler gern die Stiefel polieren

Wie er jeweils auftreten soll, hänge natürlich von der Art der Veranstaltung ab, sagt Kai Bruchmann. Manchmal sei er bereits zur Begrüßung der Gäste als Eye-Catcher am Eingang postiert. Häufig gehe er, während des gemütlichen Teils durch die Reihen, setze, wenn gewünscht, die Füße samt Schuhwerk auf den Schemel und säubere es, während sich die Person vielleicht gerade mit anderen unterhalte. Bei Reitturnieren verinnerlichten die Pferdesportler gerne in Gedanken den nächsten Durchgang, während er ihre Stiefel auf Vordermann bringt.

Auf seine vielfältigen Klienten muss Kai Bruchmann schon materialmäßig eingestellt sein, wovon das Zubehör in seiner Tasche zeugt. Einfach mit irgendeinem Putz- oder Glanzmittel zu hantieren, gehe natürlich nicht, macht er klar. Umfassende Kenntnisse seien Voraussetzung. Er habe sie sich vor allem durch learning by doing angeeignet. „Sie werden sich ja wahrscheinlich auch von niemandem Mathematik erklären lassen, der von diesem Fach keine Ahnung hat.“ Und die entsprechende Ansprache des jeweiligen Publikums wäre ebenfalls nicht unwichtig, so Bruchmann.

Bruchmann fühlt sich nicht gedemütigt

Das reagiere häufig mit Neugier, Interesse, Überraschung, oft gepaart mit Aussagen wie „so etwas kannte ich bisher nur aus der Türkei“. Schuhputzen als Dienstleistung steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Sie als Event anzubieten, ist schon deshalb ein nicht unbedingt erwarteter Programmpunkt. Manches Klischee mag dabei auch noch mitschwingen. Etwa das einer besonders niedrigen oder prekären Tätigkeit. Das ist eine Assoziation, mit denen Kai Bruchmann nichts anfangen kann. Er fühle sich dabei überhaupt nicht gedemütigt. Jeder Kellner müsse mehr buckeln. Ganz unlukrativ scheinen seine Auftritte ebenfalls nicht zu sein, auch wenn er sich bei Preisdetails eher zurückhält.

Sein Salär richte sich nach der Größe der Veranstaltung, orientiere sich auch daran, was von ihm erwartet werde. Und, das lässt er anklingen, Trinkgelder würden oft ein weiteres Zubrot bedeuten.

Vor Nikolaus hat er besonders viel zu tun

Kai Buchmann war mit dieser Marktlücke ganz gut im Geschäft. Seit mittlerweile rund acht Monaten ist das aber Vergangenheit. Sein letzter Auftritt datierte von Ende Februar. Und so wie es gerade aussieht, werden auch in den kommenden Monaten höchstens einige wenige hinzukommen. In normalen Zeiten wäre gerade die Zeit bis Weihnachten besonders nachgefragt, sagt der Schuhputzer. Sein umsatzstärkster Tag sei bisher regelmäßig der 5. Dezember gewesen. Der Abend vor Nikolaus.

Kai Bruchmann macht sich gerade wenig Illusionen, dass sich die Lage schnell bessert. Etwas Geld verdient er auch aktuell mit Nachhilfeunterricht. Ansonsten bleibt ihm vor allem zu beteuern, dass seine Dienstleistung auch unter Einhalten der Abstands- und Hygieneregeln funktioniere.

Saubere Schuhe gegen Obulus

Weniger um damit große Einnahmen zu erzielen, aber um zumindest im Geschäft zu bleiben, bietet Kai Bruchmann jetzt eine Art Schuhputz-Benefiz an. Regelmäßig, vor allem an jedem Sonntag wird er auf dem Außengelände vor dem Imbiss am Wilhelmsruher Damm 170 mit seinem Angebot zu finden sein. Schuhe säubern sozusagen im Vorbeigehen und gegen einen freiwilligen Obulus.

Weiteres zu Kai Bruchmann und seinem Gewerbe findet sich auf der Website www.der-schuhputzer-berlin.de.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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