Wiedergutmachung für einen Verfolgten
Silvia Oberhack recherchierte zum Leben des Villen-Besitzers Kostecky
Auf dem Grundstück Hermann-Hesse-Straße 19, gleich neben dem Parkplatz des Netto-Marktes, steht eine anmutige Skulptur. Sie ist etwa zwei Meter hoch und wird heute als „Venus von Pankow“ bezeichnet.
Auf diese wurde Silvia Oberhack vor etwa einem Jahr aufmerksam. Sie weckte ihre Neugierde. Und so begann sie zu recherchieren, was es mit diesem Kunstwerk auf sich hat. Im Internet stieß sie dann auf einige Artikel. Sie erfuhr, dass auf diesem Grundstück einst eine prachtvolle Villa stand, auf deren Dach sich die Venus befand. Doch nicht so sehr die Villa und die Skulptur weckten ihr Interesse, sondern sie stieß auf den Namen des früheren Eigentümers, Wolfgang Joseph Kostecky, und sie fand erste Hinweise auf sein schicksalhaftes Leben.
„Zu Kostecky gab es einige fragwürdige Aussagen im Internet, denen ich nachgehen wollte“, erklärt Silvia Oberhack ihr Interesse. So recherchierte sie unter anderem im Grundbuchamt im Westhafen, im einstigen Konzentrationslager (KZ) Sachsenhausen, in dem Kostecky interniert war, im Landeshauptarchiv Potsdam, im Landesarchiv Berlin und auch im Bundesarchiv. Nach und nach fügten sich viele Details aus dem Leben dieses Mannes für Silvia Oberhack zusammen. Ihr Ziel ist es nun, an Wolfgang Joseph Kostecky, dem so viel Unrecht widerfuhr, mit einer Gedenktafel zu erinnern.
Opfer des Paragrafen 175
Das Haus, das viele als Kostecky-Villa kennen, wurde bereits 1905 errichtet. Das später mit Schulden belastete Grundstück verkaufte der Maurer Friedrich Wilhelm Nölte an ein Kaufmannsehepaar. Gut ein Jahr später verkaufte dieses es an Kostecky. In der Villa wohnten seinerzeit mehrere Mietparteien. Das Grundstück war aber verwahrlost, und es waren zahlreiche Instandsetzungsarbeiten nötig, die der aus dem Kreis Wongrowitz (bis 1919 ein preußischer Landkreis) stammende Wolfgang Joseph Kostecky (1888-1949) veranlasste.
Der Eigentümer der Villa verfügte, das bekam Silvia Oberhack bei ihren Recherchen heraus, über mehrere Grundstücke und Häuser in Berlin. Und offenbar war er vermögend, wenn man den Berichten glauben darf. Er besaß eine Drogerie, die er 1926 mit großen Gewinn verkaufen konnte. Das ermöglichte ihm offenbar, Grundbesitz zu erwerben, von dem er fortan leben konnte. Nach eigenen Angaben bewohnte er ab 1932 selbst die Villa an der heutigen Hermann-Hesse-Straße 19.
Dass Kostecky ins Visier der Polizei geriet, lag wohl daran, dass gemunkelt wurde, er sei homosexuell. Dem §175 des Strafgesetzbuches zufolge war Homosexualität eine Straftat. 1937 wurde Kostecky schließlich verhaftet und kam in Untersuchungshaft. Das Sondergericht 1 beim Ladgericht Berlin verurteilte ihn zu drei Jahren Gefängnis. 1940 wurde er dann zunächst in seine Wohnung nach Pankow entlassen, wenig später wurde er als „Gemeingefährlicher“ in Vorbeugehaft genommen und ins KZ Sachsenhausen überführt. Später verlegte man ihn ins KZ Nutzweiler-Struthof.
Keine Anerkennung als politisch Verfolgter
Auf einem Transport in ein Außenkommando wurde Kostecky im März 1945 befreit. Obwohl die Nazis ihn als Reichsdeutschen inhaftierten, wurde seine Staatsangehörigkeit von den Alliierten als polnisch zugeordnet. Deshalb durfte er nicht nach Berlin, sondern musste auf einem Campus in Böblingen bleiben, auf dem er wegen seiner angeschlagenen Gesundheit behandelt wurde. In den folgenden Jahren versuchte Kostecky den Status als politisch Verfolgter des NS-Regimes zu erhalten. Damit hätte er ein Anrecht auf Wiedergutmachung gehabt. Doch weil auch in der Bundesrepublik der §175 weiter bestand, wurde sein Antrag abgelehnt, weil er Straftäter sei. Am 31. August 1949 verstarb er in Böblingen.
Kosteckys Schwester, Josefine Rennert, wohnte bis Ende 1952 in der Villa in Niederschönhausen. Danach stand das Grundstück unter Verwaltung des Magistrats, später der Kommunalen Wohnungsverwaltung Pankow. 1995 übernahm das Amt für offene Vermögensfragen Grundstück und Villa. Diese gingen schließlich an einen Investor, der die heruntergekommene Villa 2004/05 abreißen ließ. Auf dem Grundstück entstand stattdessen der heutige Markt, und die Venus vom Dach der Villa steht separat auf dem Grundstück.
Motiviert durch ihre Rechercheergebnisse nahm Silvia Oberhack mit dem CEO des heutigen Eigentümers Kontakt auf. Dieser zeigte sich nicht nur erfreut darüber, dass jemand die Geschichte des Grundstücks und seines früheren Besitzers recherchierte. Er bot sogar an, die von Silvia Oberhack vorgesehene Gedenktafel zu finanzieren. Den Text der Tafel möchte die Initiatorin gemeinsam mit dem Verein Freundeskreis der Chronik Pankow erarbeiten und mit dem Bezirksamt abstimmen. Eine Mitarbeiterin des Museums Pankow informierte sich bereits vor Ort über den Sachstand. Auch eine Mitarbeiterin des Straßen- und Grünflächenamtes sei sehr entgegenkommend gewesen, sagt Silvia Oberhack.
Nun fehlt nur noch ein positives Signal aus der Pankower Gedenktafelkommission, auf das die Initiatorin jetzt wartet. Immerhin entstehen dem Bezirk mit der Gedenktafel, die auf einem Privatgrundstück aufgestellt wird, keine Kosten. Das verhält bei anderen Gedenktafeln anders. Und auch um den Text kümmern sich Fachleute. Wenn es nach Silvia Oberhack ginge, würde sie die Gedenktafel noch in diesem Sommer aufgestellt wissen.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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