Ausstellung erinnert an ermordete Kranke und Behinderte

Die Bild- und Texttafeln unweit der Philharmonie berichten darüber, wer die Opfer des nationalsozialistischen Krankenmordes und wer die Täter waren. | Foto: Caspar
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Tiergarten. An die Opfer des nationalsozialistischen Terrors erinnern in der Nähe der Philharmonie eine von Richard Serra geschaffene Installation aus braun patinierten Stahlplatten, eine in den Boden versenkte Bronzetafel sowie anlässlich des Berliner Themenjahrs "Zerstörte Vielfalt" eine bis zum 17. November laufende Ausstellung unter freiem Himmel.

Die Bilder und Texte klären auf, dass in unmittelbarer Nähe eine Villa mit der Adresse Tiergartenstraße 4 stand, in der die Ermordung von Kranken und Behinderten durch die Nationalsozialisten geplant und überwacht wurde. Das aus der Kaiserzeit stammende Haus gehörte zeitweilig einem Bruder des Malers Max Liebermann. Von dort aus gingen in den späten 30er-Jahren die Befehle an zahlreiche Psychiatrische Anstalten und Kliniken, die dort untergebrachten Erwachsenen und Kinder für den Tod durch Giftgas und Giftspritzen sowie durch Aushungern und auf anderem Wege auszuwählen. Die Ausstellung unter freiem Himmel macht mit den Schicksalen von Betroffenen bekannt, die in der Sprache der Nazis als "Ballastexistenzen" verunglimpft wurden und denen man in zynischer Weise vorrechnete, dass ihre Betreuung und Ernährung weitaus mehr Geld verschlinge als einer "normalen" Arbeiterfamilie zur Verfügung stehe. Indem Stimmung gegen die Ärmsten und Schwächsten gemacht wurde, hofften die Nationalsozialisten, dass die von ihnen befohlene Ermordung von etwa 300 000 Menschen in der Bevölkerung akzeptiert wird. Die Texte machen deutlich, dass das Verbrechen nicht überall hingenommen wurde und es vor allem in kirchlichen Kreisen Widerstand gab, weshalb die Krankenmorde bis in die Kriegszeit hinein an verschwiegenen Orten in der Provinz durchgeführt wurden. Mitarbeiter der "Gemeinnützigen Stiftung für Anstaltspflege" waren mit dem Aufbau und Betrieb über ganz Deutschland verteilten Tötungsstationen und mit der Entwicklung von effektiven Mordmethoden befasst, weshalb die Adresse Tiergartenstraße 4 der Geheimaktion den Tarnnamen T 4 gab.

Im Unterschied zur Gestapo- und SS-Zentrale an der Wilhelmstraße, der heutigen Topographie des Terrors, blieb das, was in der vornehmen Villa geschah, nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unbekannt. Die beteiligten Ärzte, Schwestern, Helfer, Aufseher und Polizisten sowie ihre Auftraggeber in der schwarzen SS-Uniform hatten kein Interesse daran, dass die von Hitler persönlich angeordneten und sanktionierten Verbrechen bekannt werden. In den meisten Familien, in denen es Fälle von NS-Euthanasie gab, sprach man nur ungern über das Thema.

Es kam erst in den 80er- und 90er-Jahren auf und führte unter anderem dazu, dass der inzwischen völlig umgestaltete Ort des Grauens an der Tiergartenstraße in einen Ort des Gedenkens verwandelt wurde. So berichtet denn auch eine Bronzetafel im Straßenpflaster vor der Philharmonie: "Die Opfer waren arm, verzweifelt, aufsässig oder hilfsbedürftig. Sie kamen aus psychiatrischen Kliniken und Kinderkrankenhäusern, aus Altenheimen und Fürsorgeanstalten, aus Lazaretten und Lagern." Die Inschrift endet mit der für die Bundesrepublik Deutschland beschämenden Feststellung, dass die Zahl der verurteilten Täter gering war.

Helmut Caspar / HC
Autor:

Helmut Caspar aus Mitte

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